Posts tagged ‘Wirtschaft’

31. Mai 2011

Philip Morris gegen Uruguay

US-Tabakkonzern klagt gegen staatliches Nichtrauchergesetz – Land erhält internationale Unterstützung

Uruguay versus Philip Morris, „David gegen Goliath“. So titelten Zeitungen in dem kleinen Land am Rio de la Plata am Mittwoch, dem ersten Prozesstag des US-Tabakgiganten gegen den uruguayischen Staat. Anlass ist das seit 2006 dort geltende Nichtrauchergesetz, das Rauchen in geschlossenen Räumen verbietet, die Steuern drastisch erhöht hat und strikte Vermarktungsregeln vorschreibt.

So ist die Aufschrift „light“ verboten, und 80 Prozent des Platzes auf der Zigarettenschachtel sind für die Warnung vor den Gefahren des Rauchens reserviert. Das verletzt nach Auffassung des Tabakkonzerns seine Markenrechte und ein Investitionsschutzabkommen mit Uruguay. Treibend für das erste Gesetz dieser Art in Lateinamerika war Tabaré Vazquez, damaliger Präsident und Krebsspezialist.

Zahl der Raucher sank um sieben Prozentpunkte

Bei der nichtöffentlichen Videokonferenz vor dem Internationalen Schiedsgericht für Investitionsfragen in Paris wurden nach Angaben der uruguayischen Regierung formale Punkte geklärt und der Weg für erste Vorladungen freigemacht.

Philip Morris lehnte eine Stellungnahme ab. Angeblich verlangt die Firma zwei Milliarden Dollar (1,4 Mrd. Euro) Schadenersatz. Der Konzern argumentiert, er habe sieben seiner zwölf Marken aufgrund des Gesetzes vom Markt nehmen müssen. Das habe nicht der Volksgesundheit gedient, sondern lediglich lokalen Konkurrenzmarken genützt.

Die uruguayische Regierung verweist auf ihre Fürsorgepflicht für die Bürger. „Wir sind der Auffassung, dass Regierungen derartige hoheitliche Entscheidungen treffen können, und dies sowohl völkerrechtlich abgedeckt ist als auch vom Investitionsschutzabkommen“, sagte Präsidialamtsleiter Diego Canepa. Nach offiziellen Angaben sank die Zahl der Raucher von 32 auf 25 Prozent, bei Jugendlichen von 32 auf 18 Prozent.

Uruguays BIP liegt bei Philip Morris‘ Halbjahresmusatz

Als eines der Länder, das am striktesten die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen das Rauchen umsetzt, wird Urugay von dieser unterstützt. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg spendete dem Land 500.000 Dollar (352.600 Euro) für das Verfahren, das nach offiziellen Schätzungen umgerechnet bis zu 2,8 Mio. Euro kosten und mindestens zwei Jahre dauern wird.

Uruguay hofft auf Unterstützung weiterer Länder. Sein Bruttoinlandsprodukt liegt bei 31 Mrd. Dollar (21,9 Mrd. Euro) – Philip Morris macht jährlich doppelt so viel Umsatz. Eduardo Blanco, urugayischer Kardiologe, glaubt, dass der Konzern bewusst einen kleinen, finanzschwachen Gegner erwählt hat, um ein Exempel zu statuieren, wie er der BBC sagte.

Sandra Weiss

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13. Februar 2010

„Also, wenn ich ehrlich bin…“

Mit gerade einmal 28 Jahren ist er Chef eines Traderteams und macht, was er am besten kann: sehr schnell entscheiden und Geld verdienen. Über das Innenleben eines Bankers

Mit gerade einmal 28 Jahren ist er Chef eines Traderteams und macht, was er am besten kann: sehr schnell entscheiden und Geld verdienen. Über das Innenleben eines Bankers.

Im 23. Stockwerk eines gläsernen Büroturms befindet sich die Handelsabteilung der österreichischen Großbank, bei der Robert Sailer im Investmentgeschäft tätig ist. Nach der Matura absolvierte Sailer, Jahrgang 1981, eine interne Ausbildung bei der österreichischen Bank, bei der er noch heute beschäftigt ist, zunächst im Back Office, dann im Handel, später Börsenhändlerprüfungen in London, Zürich und Wien sowie diverse Ausbildungsseminare im Investmentbereich. Seit 2007 ist er Chef einer Gruppe im Anlagenhandel.

Von breiten Fensterfronten umgeben, eröffnet das Großraumbüro den Blick hinunter auf die Stadt, die von hier oben ungewöhnlich fern und klein erscheint. Es herrscht reger Betrieb. Dutzende von Menschen telefonieren, hämmern auf Tastaturen ein oder starren gebannt auf Monitore, auf denen Zahlen und Kurven in scheinbar endlosem Durcheinander flimmern. Nicht jeder würde sich an einem solch hektischen Arbeitsplatz wohl fühlen. Diejenigen, die es tun, haben etwas ganz Bestimmtes vor. Sie wollen Geld und Ruhm ernten. Die Handelsabteilung der Bank ist eine Kaderschmiede für junge Aufsteiger.

„Fünf bis sechs Millionen im Jahr“

Robert Sailer ist einer von ihnen. Mit gerade einmal 28 Jahren bereits das zehnte Jahr bei der Bank beschäftigt, kann er sich mittlerweile Chef eines fünfköpfigen Trader-Teams nennen. Der Bondhandel, für den er verantwortlich ist, ist primär ein Eigenhandel der Bank, bei dem es darum geht, Investments möglichst gewinnträchtig am Markt einzusetzen. In dieser Funktion hat er es nicht mit Privatkunden, sondern mit institutionellen Anlegern zu tun, vor allem jedoch mit den Sales Units im eigenen Haus, denen er als Price Provider Auskünfte über die Preise gibt, zu denen bestimmte Anlagenarten profitabel gehandelt werden. Die Aufgabe seiner Gruppe ist klar definiert: „Wir sind angehalten, Geld zu verdienen für die Bank, und das nicht wenig.“ Das Budget, das die Gruppe erreichen muss, wird durch jährliche Benchmarks vorgegeben, die zum 1. Januar eines Jahres abgerechnet werden. „Ich muss fünf bis sechs Millionen Euro im Jahr bringen, alleine, und meine Händler jeder so um die eineinhalb Millionen Euro. So, und ich hab jetzt einmal gute fünf Millionen aufgedrückt bekommen, mit denen muss man erst einmal klarkommen. Also, so einfach ist das nicht, vor allem wenn jedes Jahr am 1.1. die Uhr wieder auf Null geht. Es wird wieder alles zurückgedreht, und das Ergebnis, das man im Vorjahr gehabt hat, ist weg. Und man beginnt wieder von neuem und macht sich Gedanken darüber: Wie werd ich das überhaupt schaffen können?“

Die Sorge, die sich in solchen Fragen andeutet, gleicht Robert Sailer durch eine Art Selbstbewusstsein aus, das nach außen keinen Zweifel an seinen erstklassigen Kompetenzen aufkommen lässt. Gern teilt er mit, wie viel Schwierigkeiten er damit hat, Aufgaben auf andere Leute zu übertragen, „weil ich natürlich immer davon überzeugt bin, dass ich es am besten mache und am meisten Geld verdiene“ . Den Grund seines Erfolges sieht Sailer in einer außergewöhnlichen Begabung, die ihm eigen sei. „Also, was mir schon sehr viele Leute gesagt haben, beziehungsweise wovon ich auch selber überzeugt bin: Ich hab typische Händlereigenschaften. Das heißt, ich bin sehr, sehr entschlussfreudig und sehr, sehr schnell. Das heißt, ich muss binnen zweier Sekunden entscheiden: Geh ich das Risiko ein? Kauf ich das? Verkauf ich das oder nicht? Sofort!“

Den Instinkt schulen

Der Nachdruck, mit dem Sailer auf seine persönlichen Fähigkeiten abstellt, erklärt sich vielleicht dadurch, dass er in seinem bisherigen Werdegang auf kein Studium zurückblicken kann, was ihm mit Blick auf höhere berufliche Ziele als Nachteil erscheint. „Volkswirtschaftlich hab ich einfach einen Aufholbedarf.“ Bevor Sailers Karriere als Investmentbanker begann, probierte er es mit einem Studium für das Lehramt Geschichte. Auch eine Bewerbung für die Polizei war bereits auf dem Weg, als sich bei einer österreichischen Bank eine Chance bot, die er ergriffen hat. „Sobald ich in das Bankwesen eingetreten bin, hab ich gewusst: Händler ist der Job, den ich machen möchte.“ Angeleitet wurde er im Zuge eines internen Ausbildungsgangs von seinem damaligen Chef, der ihm nicht nur das notwendige Produktwissen beibrachte, sondern auch seinen Instinkt schulte, auf den Sailer seither nicht wenig stolz ist. „Mein Mentor, der mich eingeschult hat, hat gesagt: ,Ich muss dich um halb drei in der Früh aufwecken können und fragen, und du sagst mir ungefähr einen Preis. Ungefähr, du musst es mir nicht ganz genau sagen, aber ich möchte sofort einen Preis haben. Und du musst ungefähr wissen, wo der Markt steht, um eine schnelle Indikation zu geben, dann bist du sicher.‘“

Mittlerweile gehört es für ihn zum Tagesgeschäft, binnen Sekundenfrist Millionen von Euro zu transferieren. Für den Umstand, dass er es hierbei bereits weit gebracht hat, besitzt Sailer, der seine langen Haare zu einem Zopf gebunden trägt, eine Erklärung, mit der er aus Unterschieden im beruflichen Werdegang einen Vorteil macht, was die eigene Befähigung angeht. „Also, rein optisch pass ich nicht in die Vorstellung eines klassischen Investmentbankers. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich so erfolgreich und so weit gekommen bin. Weil ich doch ein bisschen anders bin als die anderen. Ich hab auch nicht unbedingt die klassischen Statussymbole, die ein Banker braucht – abgesehen jetzt einmal von meiner Uhr.“

Schadensbegrenzung

Die habituelle Eignung für den Wertpapierhandel, die er sich selber zuschreibt, schien ihn vergleichsweise lange zu tragen. „Vor Lehman“, wie bei Sailer die Zeitenwende der Bankenkrise heißt, habe es keine Probleme gegeben. Er glaubte, den Markt wie seine Westentasche zu kennen. Als sich vor zwei Jahren bereits die ersten Engpässe auf den Finanzmärkten zeigten, hat er seine Portfolios soweit im Wert reduziert, dass er Verluste um ein Vielfaches geringer halten konnte, als wenn er die vormalige Anlagengröße beibehalten hätte. Sich selbst rechnet Sailer diese Art Schadensbegrenzung als professionellen Umgang mit den Wechselfällen des Finanzhandels an. Die Bank allerdings erwartet Rendite, weshalb es seither keine Bonuszahlungen mehr für ihn gab. Sailer versucht, darauf mit einem gewissen Gleichmut zu reagieren: „Bonus ist schön und gut, meine Rechnungen zahl ich mit dem Fixgehalt.“ Nach Lehman jedoch stellt sich eine tiefe Verunsicherung bei ihm ein. Niemand habe damit gerechnet, dass es zu solch einem dramatischen Einbruch kommen würde, der in Robert Sailers Sicht selbst September Eleven weit in den Schatten stellt. „Die Zeiten haben sich geändert. Ich kann jetzt mit einem Ticket, mit dem ich früher hundertfünfzig Millionen gemacht habe, vielleicht dreißig Millionen machen, und das ist schon viel. Es geht nicht mehr, weil auch die Liquidität fehlt. Früher hab ich zweihundert, dreihundert, vierhundert Millionen Euro am Stück handeln können. Da hab ich einen Händler angerufen und gesagt: Ich brauch ein Offer für dreihundert Millionen, und hab’s (er schnipst mit den Fingern) so einfach bekommen. Jetzt müssen wir über fünf, sechs Ecken gehen, um den Markt nicht komplett aufzuscheuchen.“

Für die Turbulenzen, die er seither durchzustehen hat, sieht Sailer zwei verantwortliche Akteure am Werk. Zum einen die Amerikaner. Hinter dem Entschluss der US-Notenbank, anstelle von Lehman Brothers Merrill Lynch zu stützen, vermutet er ein Komplott gegen Europa. „Ich glaube, dass Lehman viel stärker in Europa exponiert war, darum hat man gesagt: ,Okay, wir können Lehman fallen lassen.‘ Ich glaub, dass das bewusst gesteuert worden ist. Weil die CDO-Transaktionen und die ABS-Transaktionen – das waren ja Europäer, die das gekauft haben. Im Grunde genommen haben die Amerikaner ihre schlechten Assets gut verpackt und haben’s den Europäern angedreht, und die Europäer haben’s gekauft. Natürlich war da auch immens viel Liquidität vorhanden, und die Leute haben sich drauf gestürzt, ohne wirklich bis ins Detail zu wissen, was sie eigentlich gekauft haben. Und das ist uns, und vor allem den Deutschen, massiv auf den Kopf gefallen.“

Zum anderen seien die institutionellen Anleger schuld an dem ganzen Debakel. Sie hätten wissen müssen, worauf sie sich eingelassen haben. „Wenn ich heute etwas kaufe, und vorgestern war in der Zeitung, dass es eine schlechte Bilanz bringen wird und sonst auch Probleme hat, und ich kaufe das trotzdem, und einen Tag später habe ich einen Default, dann kann ich dem Verkäufer, von dem ich es habe, nicht sagen: ,Hallo, du hättest mich informieren müssen.‘“

„Das hat sich keiner vorstellen können“

Den Banken selbst hält er zugute, dass vor der Finanzkrise kaum jemand die Risiken habe abschätzen können: „Es war wirklich eine einmalige Sache in der Historie, dass der Kapitalmarkt so zum Erliegen gekommen ist. Man kann das den Bankern nicht vorwerfen. Weil das Szenario, das wir jetzt in den letzten zwei Jahren erlebt haben, was ganz Spezielles ist. Das hat sich keiner vorstellen können.“

Wenn Sailer auf diese Weise vor allem auch sich selbst von jeder Verantwortung entlastet, so offenbart sich im Eingeständnis, mit der Krise überfordert gewesen zu sein, auch ein persönliches Charakteristikum. Sailer, der gerne mit seinem professionellen Jagdinstinkt renommiert, ist in Wirklichkeit ein Gehetzter, dem das Scheitern dicht auf den Fersen ist. Zwar glaubt er, bereits von neuem Witterung aufnehmen zu können, da die Märkte langsam wieder funktionieren und größere Anlagepositionen Gewinne versprechen. Doch steht hinter allem die ständige Angst, zu versagen oder eine wichtige Transaktion zu verpassen. Schon kleinste Fehler oder „Nichterreicher“ könnten ihn den Arbeitsplatz kosten, wie er plötzlich mit der Wortwahl gewöhnlicher Arbeitnehmer fortfährt. Getrieben vom Anspruch, zu den Besten zu gehören, läuft er tatsächlich einer Existenzangst davon, die ihn manchmal wie die Aussicht auf ein drohendes Unheil überkommt. Entlastung verspricht seine Vorstellung, nach der die Welt der schnellen Gewinne und rapiden Verluste nur eine Episode in seinem Leben darstellt: „Also, wenn ich ganz ehrlich bin, hoffe ich, dass ich in zehn Jahren irgendwo ein kleines Lokal habe oder einen kleinen Biobauernhof, und da komplett was anderes mache, sag ich Ihnen. Weil irgendwann steht’s einem bis hier oben!“

Das Buch „Strukturierte Verantwortungslosigkeit. Berichte aus der Bankenwelt“ der Soziologen Sighard Neckel (Professor an der Uni Wien) und Claudia Czingon (Projektassistentin) umfasst 31 Porträts von Bankern und Bankerinnen und erscheint im Juni bei Suhrkamp.

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12. Februar 2010

Volkssport Apple durch den Kakao ziehen

Andrea Maria Dusl hat sich die iPad-Parodien auf Youtube angesehen und weiß jetzt, wie der Schmäh rennt

Monatelang hatte die Gerüchteküche gebrodelt. Computer-Sterndeuter und Gadget-Propheten hatten auf ihren Blogs mit Namen und Aussehen des neuen Geräts gedealt. Nicht irgendeines neuen Geräts. Eines neuen Apple-Geräts. Nach iMac, iPod und iPhone schlug bald die Stunde des neuen iJawasdennjetzt. Die einen wussten, es würde iSlate heißen, die anderen tippten auf iTablet. Photogeshoppte Schnappschüsse und 3-D-Entwürfe des geheimen Projekts zirkulierten durch die Geekforen. Einmal sah das Ding aus der nächsten Welt aus wie der abgeschraubte Bildschirm eines Notebooks, dann wieder wie ein aufgeblasenes iPhone. Analysten hörten das Gras wachsen und gaben im Tagestakt neue Visionen über Cupertinos kommenden Geniestreich bekannt.

Elektrobilderrahmens aus der Ramschecke

Die Einzigen, die schwiegen, waren die Jungs und Mädchen im Infinite Loop, dem Silicon-Valley-Hauptquartier von Apple. Als der Hohepriester des Appleismus am 27. Jänner um 10 Uhr pazifischer Zeit die Bühne des Yerba Buena Center for the Arts in San Francisco betrat, durfte er sicher sein, einen größeren Krater in die Medienwelt zu schlagen. Steve Jobs, Computerguru, nach einer Lebertransplantation zu einer hageren Gestalt mit hohlen Wangen mutiert, überraschte die Welt mit genau dem, was sie sich vom Gadget-Imperium Apple erwartet hatte. Die eierlegende Wollmilchsau, das Gerät, das alles kann und das jeder braucht. Na ja, fast. Mit der Präsentation des iPad öffnete Apple nicht nur neue Tore für die Consumer-Elektronik, der Computerkonzern setzte auch eine ganz andere Maschinerie in Gang. Die große, weite Welt der Apple-Parodie bekam neues Futter. Und was für welches! Ein Gerät mit dem Aussehen, nun ja, eines Elektrobilderrahmens aus der Ramschecke, mit einem Namen aus dem Herrenwitze-Himmel. Heißt der neue Geniestreich Steve Jobs‘ doch, ähem, Slipeinlage. Monatsbinde.

iParodie

Der erste iPad-Witz-Clip, der auf Youtube durch die Decke ging, musste gar nicht einmal neu produziert werden. Er war schon 2005 gedreht worden. Von der Parodistentruppe MADtv. Alfred E. Neumanns Kollegen vom Fernsehsketch hatten in prophetischer Voraussicht ein präsumtives Hygieneprodukt aus dem Hause Apple durch den Kakao gezogen. Auf www.youtube.com/watch?v=lsjU0K8QPhs vertiefen sich zwei affektierte amerikanische Bürotussis in der Parodie eines Werbespots in explizitem Talk über Strategien und Produkte zur persönlichen Monatshygiene. Die Dialoge schürfen ihr Comedy-Gold aus der Zweitbedeutung des Wortes Pad, das im Amerikanischen so viel wie Slipeinlage bedeutet. Im Finale des Clips tanzen überfröhliche Hippiemädchen in einer Parodie der legendären Apple-iPod-Spots: schwarze Silhouetten vor buntem Hintergrund – das weiße Kultgerät zwischen den Beinen.

In einem CNN-Bericht stellen sich zwei der Original-Akteure, Schauspielerin Arden Myrin und Gagschreiber Bruce McCoy, die durchaus berechtigte Frage, ob bei Apple womöglich keine Frauen arbeiten. Und selbst wenn dem so wäre, wie könnte man so lange an einem Produkt und seinem Marketing forschen, ohne auf die Doppelbedeutung des Wortes Pad zu stoßen?

Sketch

Ebenfalls aus den Tiefen der Hygienefaktor-Archive kommt der National-Lampoon-Sketch „TamPod„. Zwei Freundinnen stehen am Rand einer College-Sportbahn und stretchen ihre trainierten Körper. Im Stil einer Tampon-Werbung diskutieren sie die Absorptionsqualitäten des neuen TamPods. So angenehm, so saugfähig, so zuverlässig! Haben sich die bei Apple das nicht angeschaut? Oder etwa doch? Wie auch immer, Apple schulde ihnen was für die Inspiration zum iPad, meinen die Macher des National-Lampoon-Sketches trocken.

Metaebene

Eine Metaebene höher geht ein anderer Clip ans Werk. Im Stil der Apple-Werbetestimonials sprechen Mac-affine Geeks vor blütenweißem Hintergrund Klartext. Als Apple- Parodie-Autoren seien sie begeistert, bekennen die Nerds, man brauche keine Witze über das iPad schreiben, das iPad mache die Witze ganz von selbst. Amir Blumenfeld, dicke Brillen, legeres Hemd, Senior Vice President der Firma Size Jokes ist begeistert über das Riesen-iPhone. Sam Reich, T-Shirt, Vollbart, Brille wird als Senior Vice President der Firma Wordplay vorgestellt und referiert über die Qualitäten des iPads als Star von Monatshygienewitzen. Sarah Schneider, Typus Publizistikstudentin, ist Senior Vice President von Kindle Jokes, einem erfundenen Unternehmen, das Witze über Amazons E-Book-Reader unter die Leute bringt: Neue Zeiten brechen an! Wir betreten Comedyneuland, jubelt ein Pullovernerd mit Vollbart, ebenfalls Vizepräsident, zuständig für Gags über Unbrauchbarkeit. Auf den Punkt bringt es schließlich Dan Gurewitch, Präsident von Meta Jokes, im wirklichen Leben Stand-up-Comedian: Es ist, als hätte das iPad einen großen „Kick me“-Zettel am Rücken kleben. Die Parodisten von „College Humor“ haben nicht unrecht: „Dieses Produkt wird die Art verändern, wie wir Späße über Apple machen.“

Amateur

Neben professionellen Witzemachern tummeln sich auch Privatkomödianten auf Youtube und ähnlichen Web-Portalen. Max von TruckTVGermany zum Beispiel, ein Halbtrottel mit aufgemaltem Schnurrbart, er kalauert vor der Fahrerkabine eines Renault-Trucks und erklärt am Objekt, wie man aus einem alten Laptop ein iPad macht. Brachialhumor für die Jungs aus dem Dorf. Ähnlich derb ist der Witz von „Rambo“. Auf www.youtube.com/watch?v=4yFlq17pVm4 sieht man den verwackelten Packshot einer Slipeinlage mit Apple-Logo. Der Off-Text orientiert sich am trockenen Stil der Gadget-Blogger-Reviews. Er ist beileibe nicht der Einzige. Das Genre der iPad-Verarschungen wächst nahezu stündlich um neue Clips aus den Kinderzimmern dieser Welt.

Wirklich lustig sind hingegen die Bearbeitungen zweier legendärer Filmszenen. In der Neusynchronisation von Gus Van Sants berühmter Barszene aus Good Will Hunting gibt Matt Damon einen stotternden Depp, dem ein aufgeblasener Apple-Computernerd reindrückt, was ein iPad ist.

Der Untergang

Mit der unfreiwilligen Komik, die die deutsche Sprache für amerikanische Ohren hat, spielt eine köstlich untertitelte Sequenz aus Oliver Hirschbiegels „Der Untergang„. Hitler tobt. Das neue Apple-Tablet ist da. Der Führer wütet. Es hat keine Kamera, es läuft nicht unter OSX, es ist nicht multitaskfähig, und telefonieren kann man damit auch nicht.

Wie sagt Stand-up-Comedian Gurewitch? „Das iPad wird die Art verändern, wie wir Späße über Apple machen!“

Andrea Maria Dusl

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5. Januar 2010

Gefährliches Wegschauen

Die Hilferufe aus dem zerfallenen Staat bleiben in Washington wie in Brüssel ungehört

Fußball, Tanzen und Kinos sind verboten. Seit die Shabaab-Miliz immer größere Gebiete von Somalia kontrolliert, werden Männer ohne Bart ausgepeitscht und Frauen unter Druck gesetzt, Gesichtsschleier zu tragen. 2008 wurde ein 13-jähriges Mädchen gesteinigt, es war vergewaltigt worden. Man hatte ihm daraufhin „Ehebruch“ vorgeworfen. Kein Wunder, wenn selbst Premier Omar Sharmarke meint, Somalia sei schlimmer als Afghanistan.

Mit dem Unterschied: Somalia kümmert niemanden. Die Hilferufe aus dem zerfallenen Staat, der zu einer Basis für radikalislamistische Gruppen und Terroristen aus der ganzen Welt geworden ist, bleiben in Washington wie in Brüssel ungehört. Der Westen unterstützt zynisch und ignorant ehemalige Islamistenführer, die kurz vorher noch völlig verpönt waren. Es ist eine Dauerübung im Wegschauen. Somalia gilt als verloren. Man überlässt das Territorium einer zahnlosen UN-Mission und einer mittellosen Übergangsregierung, die zuschauen darf, wie kontinuierlich alles noch schlimmer wird.

Das Wegschauen ist gefährlich. Denn in Somalia herrscht kein Bürgerkrieg. Die Al-Kaida-nahe Gruppe verbindet kein Clan, sondern eine Ideologie. Al-Shabaab rekrutiert Jugendliche für 150 Dollar pro Monat auch aus den Flüchtlingslagern aus Kenia. Afghanen und Tschetschenen in Somalia führen ohnehin einen globalen Krieg. Die Regierung zu stürzen ist nur eines der Ziele der Miliz. Sie droht auch mit Gewalt in Uganda, Burundi oder Kenia.

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24. Dezember 2009

Honig von den Dächern New York Citys

Immer mehr Bürger der Millionenmetropole setzen auf Lebensmittel aus der Nachbarschaft

Es ist als habe der Wetterheilige Petrus höchst persönlich nachgetreten. Ein ungemütlicher Winter-samstag im New Yorker Stadtviertel Brooklyn. Aber Todd ist hart gesotten. Der 34-Jährige steht am Grand Army Plaza Wochenmarkt und telefoniert mit seiner Frau: Geht vielleicht auch Broccoli statt Salat? Todd kauft ausschließlich lokale Erzeugnisse, und die gibt es nun mal nicht immer. Lebensmittel aus der Nachbarschaft, meint er, seien besser für die Umwelt, weil keine langen Transportwege anfallen. Lebensmittel aus der Nachbarschaft mitten in Brooklyn?

New York und seine Umgebung gehören nicht zu den Orten, bei denen man zuerst an eine funktionierende Landwirtschaft denken würde: 5571 Hochhäuser, auf den insgesamt 10.200 Kilometer langen Straßen fahren 12.000 Taxis und 4000 Busse. Und doch erlebt ausgerechnet diese Masse aus Beton, Glas und Stahl derzeit einen wahren Landwirtschaftsboom.

Wildkräuter aus dem Central Park

Es gibt Honig von Bienen, deren Körbe auf den Dächern der Wolkenkratzer stehen, Gurken und Tomaten aus Hinterhofzucht, Wildkräuter aus dem Central Park und Käse aus dem Umland. Im Zentrum des Ganzen steht eine lose zusammenhängende Bewegung, die sich „Locavores“ nennt, auf Deutsch: „Nahesser“ . Ihre Anhänger ernähren sich nur von Produkten, die im Umkreis von 200 Meilen produziert werden. Janett kommt jeden Samstag zum Grand Army Plaza in Brooklyn einkaufen – auch der Mitmenschen wegen: „Ich will unseren Farmern eine Chance geben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen“ , sagt sie.

Der beliebteste Stand am Grand Army Plaza heißt Blue Moon. Gabriella verkauft dort Barsche, Kabeljau und Austern aus dem nahegelegenen Long Island. Wenn die Fischersfrau nicht hinter dem Marktstand steht, fährt sie mit dem Kutter aus. Der Job ist ihr Leben. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt sie.

Andere Marktverkäufer nutzen den Locavores-Trend, um zu expandieren. Bryan, ein Imker aus dem Nachbarstaat New Jersey bietet jetzt auch den Honig seiner gleichgesinnten Kollegen aus Manhattan an. Eine Frage der Vielfalt: „Der New Yorker Honig zeichnet sich dadurch aus, dass er zugleich ungewöhnlich herb und süß ist“ , erklärt Bryan, „das fehlte in meinem Sortiment“.

Landfläche in der Größe Virginias

Lokales Essen für eine globale Stadt? James McWilliams geht nicht zum Grand Army Plaza, er sitzt lieber im warmen Café. Der Buchautor weiß, dass es nie möglich sein wird, alle acht Millionen New Yorker mit Lebensmitteln aus der Nachbarschaft zu versorgen. Dafür gibt es einfach nicht genug Landwirtschaftsflächen. Dreiviertel aller Lebensmittel in Big Apple werden eingeflogen.

Um den Ernährungsbedarf der Stadtbevölkerung zu sichern, bedarf es einer freien Landmasse, die den ganzen US-Bundesstaat Virginia einnimmt. Außerdem hilft der Lokaltrend der Umwelt womöglich weit weniger, als viele glauben möchten. McWilliams behauptet, dass der Lebensmittel-Transport gerademal für zehn Prozent der Schäden verantwortlich zeichnet. Seine Alternativempfehlung an die Amerikaner, die pro Person 275 Pfund Fleisch im Jahr verzehren: „Wenn jeder von uns nur einmal in der Woche darauf verzichten würde, dann hätte das ökologisch gesehen genau denselben Effekt, als wenn wir alle Locavores wären“ .

Und doch: Beim Lokal-Trend macht sogar die Stadtverwaltung mit. Bürgermeister Michael Bloomberg, dem ein Öko-New-York vorschwebt, will es so. Auf seinen Ansporn ist es zurückzuführen, dass es in der Megalopolis mittlerweile 50 Wochenmärkte mit Nachbarschaftsprodukten gibt. Alexis Stevens arbeitet für die Umweltbehörde und leitet den Informationsstand am Grand Army Plaza. „Wir schauen uns jede Farm vor Ort an, um sicherzustellen, dass die Verkäufer wirklich ihr eigenes Gemüse anbauen“, versichert sie.

Bargeld oder anschreiben lassen

Auch für Maggy ist der Trend nicht mehr zu wegzudenken. Die Soziologin findet, dass es hipp ist, in New York ein Locavore zu sein. Und sie ist bereit, dafür tief in die Tasche zu greifen, denn sie weiß: „Relativ gesehen geben wir Amerikaner heute weniger Geld für Essen aus als in den 50er Jahren, wo es noch keine 99 Cents Hamburger und dergleichen gab“. Viele rezessionsgeprüfte New Yorker können sich aber trotzdem keine Lebensmittel von lokalen Farmern leisten.

Laurent Danthine, ein gebürtiger Belgier, verkauft Schweinshachse und Entenbrust, die drei Mal teurer sind als im Supermarkt. Nur am Grand Army Plaza im schicken Brooklyn wird er seine Ware noch los. Im Künstlerviertel Greenpoint ist der Absatz um die Hälfte eingebrochen. Der Farmer weigert sich aber standhaft, Subventionen anzunehmen, denn, sonst „bin ich ja nicht besser als die Massenproduzenten, die nur dank der Regierungsgelder so billig verkaufen können“. Auch von Kreditkarten hält Laurent nicht viel. Wer kein Bargeld dabei hat, kann bei ihm anschreiben lassen. Der Geschäftsmann weiß nur allzu gut: Seine Kunden sind ebenso lokal verbunden wie ihre Lebensmittel – säumige Zahler entkommen nicht.

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22. Dezember 2009

„Goldener Handschlag“ von Ford

Der Autokonzern Ford USA bietet 41.000 gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern eine Abfindung von ca. € 52.000,- an oder auch als Alternative die Frühpensionierung. Entscheiden müssten sie sich bitte bis Ende Jänner des kommenden Jahres. Trotz einer Marktstabilisierung hat Ford einen „Personalüberschuss“, welcher abzuarbeiten sei.

Der letzte Bericht der Autostadt Detroit spiegelte auch eine Art von „Goldenem Handschlag“ wieder – jeder 2. arbeitslos und keine Besserung in Sicht. Das in einer Millionenmetropole (ehem. Wirtschaftsmetropole).

Ich freu mich schon auf die Frühjahrsbilanzen von Opel.