Posts tagged ‘Politik’

31. Mai 2011

Philip Morris gegen Uruguay

US-Tabakkonzern klagt gegen staatliches Nichtrauchergesetz – Land erhält internationale Unterstützung

Uruguay versus Philip Morris, „David gegen Goliath“. So titelten Zeitungen in dem kleinen Land am Rio de la Plata am Mittwoch, dem ersten Prozesstag des US-Tabakgiganten gegen den uruguayischen Staat. Anlass ist das seit 2006 dort geltende Nichtrauchergesetz, das Rauchen in geschlossenen Räumen verbietet, die Steuern drastisch erhöht hat und strikte Vermarktungsregeln vorschreibt.

So ist die Aufschrift „light“ verboten, und 80 Prozent des Platzes auf der Zigarettenschachtel sind für die Warnung vor den Gefahren des Rauchens reserviert. Das verletzt nach Auffassung des Tabakkonzerns seine Markenrechte und ein Investitionsschutzabkommen mit Uruguay. Treibend für das erste Gesetz dieser Art in Lateinamerika war Tabaré Vazquez, damaliger Präsident und Krebsspezialist.

Zahl der Raucher sank um sieben Prozentpunkte

Bei der nichtöffentlichen Videokonferenz vor dem Internationalen Schiedsgericht für Investitionsfragen in Paris wurden nach Angaben der uruguayischen Regierung formale Punkte geklärt und der Weg für erste Vorladungen freigemacht.

Philip Morris lehnte eine Stellungnahme ab. Angeblich verlangt die Firma zwei Milliarden Dollar (1,4 Mrd. Euro) Schadenersatz. Der Konzern argumentiert, er habe sieben seiner zwölf Marken aufgrund des Gesetzes vom Markt nehmen müssen. Das habe nicht der Volksgesundheit gedient, sondern lediglich lokalen Konkurrenzmarken genützt.

Die uruguayische Regierung verweist auf ihre Fürsorgepflicht für die Bürger. „Wir sind der Auffassung, dass Regierungen derartige hoheitliche Entscheidungen treffen können, und dies sowohl völkerrechtlich abgedeckt ist als auch vom Investitionsschutzabkommen“, sagte Präsidialamtsleiter Diego Canepa. Nach offiziellen Angaben sank die Zahl der Raucher von 32 auf 25 Prozent, bei Jugendlichen von 32 auf 18 Prozent.

Uruguays BIP liegt bei Philip Morris‘ Halbjahresmusatz

Als eines der Länder, das am striktesten die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen das Rauchen umsetzt, wird Urugay von dieser unterstützt. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg spendete dem Land 500.000 Dollar (352.600 Euro) für das Verfahren, das nach offiziellen Schätzungen umgerechnet bis zu 2,8 Mio. Euro kosten und mindestens zwei Jahre dauern wird.

Uruguay hofft auf Unterstützung weiterer Länder. Sein Bruttoinlandsprodukt liegt bei 31 Mrd. Dollar (21,9 Mrd. Euro) – Philip Morris macht jährlich doppelt so viel Umsatz. Eduardo Blanco, urugayischer Kardiologe, glaubt, dass der Konzern bewusst einen kleinen, finanzschwachen Gegner erwählt hat, um ein Exempel zu statuieren, wie er der BBC sagte.

Sandra Weiss

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13. Februar 2010

„Also, wenn ich ehrlich bin…“

Mit gerade einmal 28 Jahren ist er Chef eines Traderteams und macht, was er am besten kann: sehr schnell entscheiden und Geld verdienen. Über das Innenleben eines Bankers

Mit gerade einmal 28 Jahren ist er Chef eines Traderteams und macht, was er am besten kann: sehr schnell entscheiden und Geld verdienen. Über das Innenleben eines Bankers.

Im 23. Stockwerk eines gläsernen Büroturms befindet sich die Handelsabteilung der österreichischen Großbank, bei der Robert Sailer im Investmentgeschäft tätig ist. Nach der Matura absolvierte Sailer, Jahrgang 1981, eine interne Ausbildung bei der österreichischen Bank, bei der er noch heute beschäftigt ist, zunächst im Back Office, dann im Handel, später Börsenhändlerprüfungen in London, Zürich und Wien sowie diverse Ausbildungsseminare im Investmentbereich. Seit 2007 ist er Chef einer Gruppe im Anlagenhandel.

Von breiten Fensterfronten umgeben, eröffnet das Großraumbüro den Blick hinunter auf die Stadt, die von hier oben ungewöhnlich fern und klein erscheint. Es herrscht reger Betrieb. Dutzende von Menschen telefonieren, hämmern auf Tastaturen ein oder starren gebannt auf Monitore, auf denen Zahlen und Kurven in scheinbar endlosem Durcheinander flimmern. Nicht jeder würde sich an einem solch hektischen Arbeitsplatz wohl fühlen. Diejenigen, die es tun, haben etwas ganz Bestimmtes vor. Sie wollen Geld und Ruhm ernten. Die Handelsabteilung der Bank ist eine Kaderschmiede für junge Aufsteiger.

„Fünf bis sechs Millionen im Jahr“

Robert Sailer ist einer von ihnen. Mit gerade einmal 28 Jahren bereits das zehnte Jahr bei der Bank beschäftigt, kann er sich mittlerweile Chef eines fünfköpfigen Trader-Teams nennen. Der Bondhandel, für den er verantwortlich ist, ist primär ein Eigenhandel der Bank, bei dem es darum geht, Investments möglichst gewinnträchtig am Markt einzusetzen. In dieser Funktion hat er es nicht mit Privatkunden, sondern mit institutionellen Anlegern zu tun, vor allem jedoch mit den Sales Units im eigenen Haus, denen er als Price Provider Auskünfte über die Preise gibt, zu denen bestimmte Anlagenarten profitabel gehandelt werden. Die Aufgabe seiner Gruppe ist klar definiert: „Wir sind angehalten, Geld zu verdienen für die Bank, und das nicht wenig.“ Das Budget, das die Gruppe erreichen muss, wird durch jährliche Benchmarks vorgegeben, die zum 1. Januar eines Jahres abgerechnet werden. „Ich muss fünf bis sechs Millionen Euro im Jahr bringen, alleine, und meine Händler jeder so um die eineinhalb Millionen Euro. So, und ich hab jetzt einmal gute fünf Millionen aufgedrückt bekommen, mit denen muss man erst einmal klarkommen. Also, so einfach ist das nicht, vor allem wenn jedes Jahr am 1.1. die Uhr wieder auf Null geht. Es wird wieder alles zurückgedreht, und das Ergebnis, das man im Vorjahr gehabt hat, ist weg. Und man beginnt wieder von neuem und macht sich Gedanken darüber: Wie werd ich das überhaupt schaffen können?“

Die Sorge, die sich in solchen Fragen andeutet, gleicht Robert Sailer durch eine Art Selbstbewusstsein aus, das nach außen keinen Zweifel an seinen erstklassigen Kompetenzen aufkommen lässt. Gern teilt er mit, wie viel Schwierigkeiten er damit hat, Aufgaben auf andere Leute zu übertragen, „weil ich natürlich immer davon überzeugt bin, dass ich es am besten mache und am meisten Geld verdiene“ . Den Grund seines Erfolges sieht Sailer in einer außergewöhnlichen Begabung, die ihm eigen sei. „Also, was mir schon sehr viele Leute gesagt haben, beziehungsweise wovon ich auch selber überzeugt bin: Ich hab typische Händlereigenschaften. Das heißt, ich bin sehr, sehr entschlussfreudig und sehr, sehr schnell. Das heißt, ich muss binnen zweier Sekunden entscheiden: Geh ich das Risiko ein? Kauf ich das? Verkauf ich das oder nicht? Sofort!“

Den Instinkt schulen

Der Nachdruck, mit dem Sailer auf seine persönlichen Fähigkeiten abstellt, erklärt sich vielleicht dadurch, dass er in seinem bisherigen Werdegang auf kein Studium zurückblicken kann, was ihm mit Blick auf höhere berufliche Ziele als Nachteil erscheint. „Volkswirtschaftlich hab ich einfach einen Aufholbedarf.“ Bevor Sailers Karriere als Investmentbanker begann, probierte er es mit einem Studium für das Lehramt Geschichte. Auch eine Bewerbung für die Polizei war bereits auf dem Weg, als sich bei einer österreichischen Bank eine Chance bot, die er ergriffen hat. „Sobald ich in das Bankwesen eingetreten bin, hab ich gewusst: Händler ist der Job, den ich machen möchte.“ Angeleitet wurde er im Zuge eines internen Ausbildungsgangs von seinem damaligen Chef, der ihm nicht nur das notwendige Produktwissen beibrachte, sondern auch seinen Instinkt schulte, auf den Sailer seither nicht wenig stolz ist. „Mein Mentor, der mich eingeschult hat, hat gesagt: ,Ich muss dich um halb drei in der Früh aufwecken können und fragen, und du sagst mir ungefähr einen Preis. Ungefähr, du musst es mir nicht ganz genau sagen, aber ich möchte sofort einen Preis haben. Und du musst ungefähr wissen, wo der Markt steht, um eine schnelle Indikation zu geben, dann bist du sicher.‘“

Mittlerweile gehört es für ihn zum Tagesgeschäft, binnen Sekundenfrist Millionen von Euro zu transferieren. Für den Umstand, dass er es hierbei bereits weit gebracht hat, besitzt Sailer, der seine langen Haare zu einem Zopf gebunden trägt, eine Erklärung, mit der er aus Unterschieden im beruflichen Werdegang einen Vorteil macht, was die eigene Befähigung angeht. „Also, rein optisch pass ich nicht in die Vorstellung eines klassischen Investmentbankers. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich so erfolgreich und so weit gekommen bin. Weil ich doch ein bisschen anders bin als die anderen. Ich hab auch nicht unbedingt die klassischen Statussymbole, die ein Banker braucht – abgesehen jetzt einmal von meiner Uhr.“

Schadensbegrenzung

Die habituelle Eignung für den Wertpapierhandel, die er sich selber zuschreibt, schien ihn vergleichsweise lange zu tragen. „Vor Lehman“, wie bei Sailer die Zeitenwende der Bankenkrise heißt, habe es keine Probleme gegeben. Er glaubte, den Markt wie seine Westentasche zu kennen. Als sich vor zwei Jahren bereits die ersten Engpässe auf den Finanzmärkten zeigten, hat er seine Portfolios soweit im Wert reduziert, dass er Verluste um ein Vielfaches geringer halten konnte, als wenn er die vormalige Anlagengröße beibehalten hätte. Sich selbst rechnet Sailer diese Art Schadensbegrenzung als professionellen Umgang mit den Wechselfällen des Finanzhandels an. Die Bank allerdings erwartet Rendite, weshalb es seither keine Bonuszahlungen mehr für ihn gab. Sailer versucht, darauf mit einem gewissen Gleichmut zu reagieren: „Bonus ist schön und gut, meine Rechnungen zahl ich mit dem Fixgehalt.“ Nach Lehman jedoch stellt sich eine tiefe Verunsicherung bei ihm ein. Niemand habe damit gerechnet, dass es zu solch einem dramatischen Einbruch kommen würde, der in Robert Sailers Sicht selbst September Eleven weit in den Schatten stellt. „Die Zeiten haben sich geändert. Ich kann jetzt mit einem Ticket, mit dem ich früher hundertfünfzig Millionen gemacht habe, vielleicht dreißig Millionen machen, und das ist schon viel. Es geht nicht mehr, weil auch die Liquidität fehlt. Früher hab ich zweihundert, dreihundert, vierhundert Millionen Euro am Stück handeln können. Da hab ich einen Händler angerufen und gesagt: Ich brauch ein Offer für dreihundert Millionen, und hab’s (er schnipst mit den Fingern) so einfach bekommen. Jetzt müssen wir über fünf, sechs Ecken gehen, um den Markt nicht komplett aufzuscheuchen.“

Für die Turbulenzen, die er seither durchzustehen hat, sieht Sailer zwei verantwortliche Akteure am Werk. Zum einen die Amerikaner. Hinter dem Entschluss der US-Notenbank, anstelle von Lehman Brothers Merrill Lynch zu stützen, vermutet er ein Komplott gegen Europa. „Ich glaube, dass Lehman viel stärker in Europa exponiert war, darum hat man gesagt: ,Okay, wir können Lehman fallen lassen.‘ Ich glaub, dass das bewusst gesteuert worden ist. Weil die CDO-Transaktionen und die ABS-Transaktionen – das waren ja Europäer, die das gekauft haben. Im Grunde genommen haben die Amerikaner ihre schlechten Assets gut verpackt und haben’s den Europäern angedreht, und die Europäer haben’s gekauft. Natürlich war da auch immens viel Liquidität vorhanden, und die Leute haben sich drauf gestürzt, ohne wirklich bis ins Detail zu wissen, was sie eigentlich gekauft haben. Und das ist uns, und vor allem den Deutschen, massiv auf den Kopf gefallen.“

Zum anderen seien die institutionellen Anleger schuld an dem ganzen Debakel. Sie hätten wissen müssen, worauf sie sich eingelassen haben. „Wenn ich heute etwas kaufe, und vorgestern war in der Zeitung, dass es eine schlechte Bilanz bringen wird und sonst auch Probleme hat, und ich kaufe das trotzdem, und einen Tag später habe ich einen Default, dann kann ich dem Verkäufer, von dem ich es habe, nicht sagen: ,Hallo, du hättest mich informieren müssen.‘“

„Das hat sich keiner vorstellen können“

Den Banken selbst hält er zugute, dass vor der Finanzkrise kaum jemand die Risiken habe abschätzen können: „Es war wirklich eine einmalige Sache in der Historie, dass der Kapitalmarkt so zum Erliegen gekommen ist. Man kann das den Bankern nicht vorwerfen. Weil das Szenario, das wir jetzt in den letzten zwei Jahren erlebt haben, was ganz Spezielles ist. Das hat sich keiner vorstellen können.“

Wenn Sailer auf diese Weise vor allem auch sich selbst von jeder Verantwortung entlastet, so offenbart sich im Eingeständnis, mit der Krise überfordert gewesen zu sein, auch ein persönliches Charakteristikum. Sailer, der gerne mit seinem professionellen Jagdinstinkt renommiert, ist in Wirklichkeit ein Gehetzter, dem das Scheitern dicht auf den Fersen ist. Zwar glaubt er, bereits von neuem Witterung aufnehmen zu können, da die Märkte langsam wieder funktionieren und größere Anlagepositionen Gewinne versprechen. Doch steht hinter allem die ständige Angst, zu versagen oder eine wichtige Transaktion zu verpassen. Schon kleinste Fehler oder „Nichterreicher“ könnten ihn den Arbeitsplatz kosten, wie er plötzlich mit der Wortwahl gewöhnlicher Arbeitnehmer fortfährt. Getrieben vom Anspruch, zu den Besten zu gehören, läuft er tatsächlich einer Existenzangst davon, die ihn manchmal wie die Aussicht auf ein drohendes Unheil überkommt. Entlastung verspricht seine Vorstellung, nach der die Welt der schnellen Gewinne und rapiden Verluste nur eine Episode in seinem Leben darstellt: „Also, wenn ich ganz ehrlich bin, hoffe ich, dass ich in zehn Jahren irgendwo ein kleines Lokal habe oder einen kleinen Biobauernhof, und da komplett was anderes mache, sag ich Ihnen. Weil irgendwann steht’s einem bis hier oben!“

Das Buch „Strukturierte Verantwortungslosigkeit. Berichte aus der Bankenwelt“ der Soziologen Sighard Neckel (Professor an der Uni Wien) und Claudia Czingon (Projektassistentin) umfasst 31 Porträts von Bankern und Bankerinnen und erscheint im Juni bei Suhrkamp.

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13. Februar 2010

Zwölf Milliarden Euro Schwarzgeld aus Österreich in der Schweiz

Das Ausmaß der Steuerhinterziehung in der Schweiz ist laut einer neuen Untersuchung weit größer als bisher vermutet

Das Ausmaß der Steuerhinterziehung in der Schweiz ist laut einer neuen Untersuchung weit größer als bisher vermutet. Demnach versteuern Anleger nur ein Fünftel der Gelder, Österreicher sogar nur ein Zehntel.

Viel Schwarzgeld liegt in der Schweiz. Doch über diese Binsenwahrheit hinaus wusste man bisher wenig über Herkunft und Ausmaß der nicht deklarierten Mittel in der Eidgenossenschaft. Eine neue Untersuchung des auf Finanzrecherchen spezialisierten Genfer Unternehmens Helvea führt nun zu einer Auflistung, die ausländische Steuerbehörden interessieren dürfte. Demnach haben Anleger aus EU-Staaten 862,9 Mrd. Franken in der Schweiz gebunkert. Davon wurden 16 Prozent deklariert.

Nur elf Prozent aus Österreich deklariert

Österreicher horten demnach 20,4 Milliarden Franken im Nachbarland, von denen nur elf Prozent deklariert sind. Die größte Investoren-Community im Bankenparadies stellen nicht ganz überraschend Deutsche dar, die auf 280 Milliarden Franken kommen. Immerhin deklarieren die Deutschen ihr Vermögen zu fast einem Drittel. Die Untersuchung, die dem STANDARD vorliegt, wird wohl für zusätzlichen Gesprächsstoff bei dem für Sonntag anberaumten Treffen der deutschsprachigen Finanzminister sorgen.

Auch die aggressive Vorgangsweise der italienischen Finanz in Sachen Steuerhinterziehung über die Alpen wird mit dem Bericht plausibel. Die Italiener bilden laut Helvea nicht nur die zweitgrößte Gruppe der Anleger in der Schweiz, sondern sind mit 99 Prozent Schwarzgeld gemeinsam mit Griechen die intensivsten Hinterzieher.

Quellensteuer als Basis

Da stellt sich natürlich die Frage, wie das Unternehmen angesichts der hohen Diskretion zu den Zahlen gelangt. Als Basis fungierten die Quellensteuereinnahmen, die zu drei Vierteln an die Finanzämter der Herkunftsländer der ausländischen Investoren überwiesen werden. Aus Durchschnittswerten über Portfolioveranlagungen werden Umgehungsprodukte, bei denen die EU-weite Zinsertragssteuer nicht anfällt, eingerechnet. Damit hätten die Experten einmal die Summe der Gelder geschätzt. Zudem gibt es die Option, die Erträge in die Steuererklärung aufzunehmen. 2007 zählte Helvea 64.516 derartige Fälle. Aus der Häufigkeit dieser Deklarierungen nach Nationalität der Anleger wird in der Untersuchung der Anteil der Schwarzgelder hochgerechnet.

Obwohl der größte Brocken der Schweizer Gelder aus der EU stammt, macht er nur etwas mehr als ein Drittel der insgesamt von Ausländern gebunkerten Mittel von 2,2 Billionen Franken aus. Diese Summe lag 2007 noch bei 3,1 Billionen und ist 2008 infolge der diversen Steueraffären und des verstärkten Drucks internationaler Finanzermittler sowie wegen rückläufiger Wertentwicklung an den Finanzmärkten deutlich zurückgegangen. Laut Schweizer Nationalbank stammen 60 Prozent der in dem Land veranlagten Vermögen aus dem Ausland.

Doch die diversen Steueraffären setzen dem Finanzplatz zu. Die Zahl der Selbstanzeigen bei den deutschen Behörden ist in den vergangenen Tagen einer Umfrage der Nachrichtenagentur DAPD zufolge sprunghaft gestiegen. 850 Anleger wandten sich demnach an die Finanz.

20. Januar 2010

Demokraten verlieren wichtigen Senatssitz

Republikaner Brown gewinnt Nachwahl im Bundesstaat Massachusetts – Geplante Gesundheitsreform ist in Gefahr, da Demokraten nun weniger als 60 Stimmen im Senat halten

Washington – Dramatischer Rückschlag für US-Präsident Barack Obama: Seine Demokraten haben am Dienstag die wichtige Senatsnachwahl im Bundesstaat Massachusetts verloren. Damit verfügt Obama ein Jahr nach seiner Amtsübernahme in der kleineren Kongresskammer nicht mehr über die nötige 60-Stimmen-Mehrheit zur Durchsetzung wichtiger Gesetzesvorhaben. Auch seine Gesundheitsreform ist gefährdet.

Die Wahl hatte sich in den vergangenen Wochen zu einem Votum über die Reform und insgesamt über Obamas erstes Jahr im Weißen Haus entwickelt. Er war am 20. Jänner 2009 vereidigt worden.

Obama unterwegs nach Massachusetts

Nach Auszählung der meisten Stimmen lag der Republikaner Scott Brown (50) uneinholbar mit 52 zu 47 Prozent vor der vor kurzem noch hoch favorisierte demokratischen Kandidatin Martha Coakley (56). Sie räumte noch am Abend in einer Rede ihre Niederlage ein, kündigte eine „schonungslose“ Untersuchung die Ursachen für ihr Scheitern an und gratulierte dem Sieger. Obama war noch am Sonntag nach Massachusetts gereist, um die derzeitige Generalstaatsanwältin zu unterstützen und damit ein drohendes Debakel abzuwenden.

Der Staat ist traditionell eine liberale Hochburg. Bei der Wahl ging es um die Besetzung des Senatssitzes, der durch den Tod des äußerst populären Edward „Ted“ Kennedy im vergangenen Sommer freigeworden war. Er hatte den Sitz seit 1962 inne und eine grundlegende Gesundheitsreform mit einer Krankenversicherung für alle zu seinem Hauptziel gemacht. Vor ihm saß sein Bruder John F. Kennedy auf dem Platz.

Nun drohen Dauerreden

Die magische Zahl von 60 Stimmen ist nötig, um Filibuster (Dauerreden) der Minderheit zur Blockade oder Verzögerung von Gesetzesvorhaben im 100-köpfigen Senat zu verhindern. Bisher verfügten die Demokraten über 58 Mandate, erreichten die sogenannte Super-Mehrheit aber mit Hilfe von zwei Unabhängigen, die eine Fraktionsgemeinschaft mit ihnen bilden und in der Regel mit ihnen stimmen.

So konnte kurz vor Weihnachten eine Republikaner-Blockade der Senatsabstimmung über Obamas Gesundheitsreform durchbrochen werden. Der dann verabschiedete Entwurf unterscheidet sich aber deutlich von einer Vorlage, die das Abgeordnetenhaus gebilligt hat. Seit Anfang des Jahres wurde daher im Vermittlungsausschuss an einem Kompromiss gearbeitet, über den dann beide Kongresskammern erneut abstimmen müssten.

Die Demokraten überlegen nun, wie sie die Gesundheitsreform in ihren Kernpunkten noch retten können, ohne ein neues Votum im Senat zu riskieren. Eine Möglichkeit wäre, dass das Abgeordnetenhaus neu abstimmt, diesmal über die Senatsvorlage. Gibt die Kammer grünes Licht, könnte Obama das Gesetz unterzeichnen. In den USA müssen stets beide Häuser des Kongresses zustimmen, bevor ein Gesetz in Kraft treten kann.

Telegener Kandidat Brown

Noch vor wenigen Wochen hatte Coakleys Wahl als sicher gegolten. Doch innerhalb kurzer Zeit konnte der vordem US-weit kaum bekannte Brown entscheidend an Boden gewinnen. Der äußerst telegene bisherige Staatssenator in Massachusetts hatte in seinem Wahlkampf ganz entscheidend auf den verbreiteten Widerstand gegen die Gesundheitsreform gesetzt, die er selbst strikt ablehnt. Auch Obamas Klimaschutz-Plan mit einer deutlichen Reduzierung der Treibhausgase und die angestrebte Sondersteuer für mit Steuergeldern gerettete Banken will er bei den anstehenden Beratungen in diesem Jahr nicht unterstützen.

Großer Popularitätsverlust Obamas

Coakley ihrerseits hatte sich nach Einschätzung von Beobachtern zu stark auf ihre Favoritenrolle und Verbindungen zum politischen Establishment verlassen. Dagegen absolvierte Brown einen engagierten Wahlkampf, fuhr mit seinem Kleinlaster durch das Land und präsentierte sich als Kandidat des kleinen Mannes.

Die Entwicklung in Massachusetts spiegelt aber auch den schweren Popularitätsverlust Obamas wider. Bei der Vereidigung vor einem Jahr standen laut Umfragen bis zu 70 Prozent der Amerikaner hinter Obama – heute würden ihn nicht einmal mehr die Hälfte der Bürger wiederwählen. Nun müssen Obama und die Demokraten fürchten, dass die Schlappe in Massachusetts eine verheerende Sogwirkung für die Kongresswahlen im November haben wird. Dann stehen das gesamte Repräsentantenhaus sowie ein Drittel der Senatssitze zur Wahl.

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18. Januar 2010

„Kennedy-Sitz“ wird zu Obamas Albtraum

Niederlage der Demokraten bei Massachusetts-Nachwahl könnte Gesundheitsreform im letzten Moment kippen

Geht man nach der politischen Farbenlehre, dann ist Massachusetts so blau wie kein anderer Flecken in Amerika. Die Demokraten dominieren derart eindeutig, dass es die Republikaner, rein farblich die Roten, 1972 zum letzten Mal schafften, einen der beiden Senatssitze des Bundesstaats zu ergattern. Nun wittern sie Morgenluft. Morgen, Dienstag, wenn die Wähler den Nachfolger des verstorbenen Edward Kennedy bestimmen, rechnen sich die Konservativen eine echte Chance aus.

Nicht die Favoritin, die Demokratin Martha Coakley, liegt in letzten Umfragen vorn, sondern Scott Brown, der republikanische Außenseiter. Für John Kerry, den zweiten Senator des Staates, Grund genug, von einem Alarmsignal zu sprechen. Am Sonntag eilte Präsident Barack Obama nach Boston, um das eigentlich Undenkbare, einen Sieg Browns, abzuwenden.

Zu lange hatten die Demokraten das Rennen für reine Formsache gehalten. Zu wenig hatte sich Coakley, oberste Rechtsberaterin von Massachusetts, ins Zeug gelegt. Hände wolle sie nicht schütteln, nicht bei dieser Kälte, ließ sie wissen. Erst zum Schluss war sie bereit, sich auf zugige Marktplätze zu stellen.

Die allzu abgeklärte Art mag dazu beigetragen haben, dass es knapp werden kann. Schwerer wiegt der angestaute Ärger, wie er typisch ist für die derzeitige Stimmung in den USA. Zehn Prozent Arbeitslose, keine Aussicht auf schnelle Besserung: Die Wähler sind nicht gut zu sprechen auf die Partei, die gerade am Ruder ist.

Brown, der in den 1980ern nackt auf dem Titel des Hochglanzmagazins Cosmopolitan posierte, schwimmt geschickt auf der Anti-Washington-Welle. In Werbespots vergleicht er sich mit John F. Kennedy: JFK habe das Establishment genauso mutig herausgefordert wie er heute. Er zehrt davon, dass seine unterkühlte Rivalin lange den Anschein erweckte, als habe sie einen Anspruch auf den „Kennedy-Sitz“ . 47 Jahre hatte ihn Ted Kennedy inne, bevor er im August einem Krebsleiden erlag. „Bei allem Respekt“ , hakt Brown ein, „es ist nicht Kennedys Sitz, es ist nicht der Sitz der Demokraten, es ist der Sitz des Volkes.“

Wie brisant das Duell ist, wird beim Blick auf die Parlamentsarithmetik schnell klar. Im US-Senat stellen die Demokraten, Unabhängige eingeschlossen, 60 der 100 Sitze. Die Mehrheit reicht exakt aus, um einen Filibuster (Dauerreden zur Verzögerung eines Gesetzes) der Republikaner abzuwenden. Gewinnt Brown das Duell in Massachusetts, haben die Konservativen genügend Senatoren zusammen, um Obamas wichtigstes Projekt, die fast fertig ausgehandelte Gesundheitsreform, buchstäblich auf der Zielgeraden zu Fall zu bringen.

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12. Januar 2010

Flashmobs: Piraten ziehen sich aus Protest gegen Nacktscanner aus

„Ihr braucht uns nicht scannen – Wir sind schon nackt“

Aus Protest gegen die geplante Einführung von Nacktscannern haben Mitglieder der Piratenpartei am Sonntag auf mehreren deutschen Flughäfen Flashmobs veranstaltet und sich dabei ausgezogen. Die Aktion stand unter dem Motto: „Ihr braucht uns nicht scannen – Wir sind schon nackt“.

Aktionen auf den Flughäfen von Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf

Um 14.00 Uhr starteten die Piraten ihre Aktionen auf den Flughäfen von Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf. Die Veranstalter betonten, Nacktscanner erhöhten die Flugsicherheit nicht, verletzten aber die Persönlichkeitsrechte der Reisenden.

Flashmobs sind über Internetforen oder Handys verabredete Aktionen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.

12. Januar 2010

„Dieser Typ hätte uns früher Kaffee gebracht“

Unter den US-Demokraten ist eine neue Rassismus-Debatte entflammt – Im Mittelpunkt: Mehrheitsführer Reid und Ex-Präsident Clinton

Die US-Demokraten werden dieser Tage von einer Rassismus-Debatte eingeholt. Nicht nur der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, sondern auch der neben Präsident Barack Obama wohl prominenteste Demokrat, Ex-Präsident Bill Clinton, spielen dabei wenig rühmliche Rollen. Während sich Reid nun erwartungsgemäß Schelte von Rechts und Links abholt, wird Clintons viel offensichtlicher mit Chauvinismus kokettierender Spruch in dem jüngst erschienenen Buch „Game Change“ über den Obama-Wahlkampf 2008 enthüllt. Schauplatz der Kontroverse: Blogs.

„Reids Aussage war nicht politisch unkorrekt. Sie war einfach nur dumm“, lässt Washington Post-Kolumnist Colbert King kein gutes Haar an dem 70-jährigen Senator aus Nevada, dem als Mehrheitsführer der US-Demokraten im Washingtoner Senat eine Schlüsselposition in Obamas Amtszeit zukommt. Dabei dürfte Reid sein Fehler anfangs gar nicht aufgefallen sein. Obama schien ihm der ideale Präsident zu sein und die Zeit reif für einen schwarzen Präsidenten, der „nicht diesen Negro-Dialekt spricht, außer wenn er es will“. BBC-Korrespondent Mark Mandell hält Reids Ausspruch keineswegs für rassistisch: „Er hat die Lügen des Landes beschrieben und nicht die Auffassungen unterstützt, die er hervorgehoben hat.“

Kaffeeträger

Der frühere Präsident Bill Clinton hingegen soll, wenn man den Recherchen der Game Change-Autoren Mark Halperin und John Heilemann glaubt, während eines Gesprächs mit dem unlängst verstorbenen Demokraten-Doyen Edward Kennedy 2008 über Obama gelästert und gesagt haben, dass „dieser Typ uns vor ein paar Jahren noch Kaffee gebracht hätte„. Wie die angesehene Washingtoner Zeitschrift Politico auf ihrer Website berichtet, habe Clinton im Vorwahlkampf der Demokraten Stimmung gegen Obama und für seine Ehefrau Hillary Clinton machen wollen. Das Büro des Ex-Präsidenten wollte zu den Vorwürfen keinen Kommentar abgeben.

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25. Dezember 2009

Kulturkampf im Dirndl und in Lederhosen

Die Ausstellung „Hast Du meine Alpen gesehen?“ widmet sich jüdischem Alpinismus – und damit der enttäuschten Sehnsucht nach Teilhabe und Zugehörigkeit

Wien – Die Ausstellung Hast Du meine Alpen gesehen? – Eine jüdische Beziehungsgeschichte ist eine echte Herausforderung! Würde nicht jeder meinen, Juden und Alpen – das sei einfach unvereinbar, geradezu widersprüchlich? Stattdessen wird uns hier eine unerwartete „love story“ präsentiert: Juden, die es in die Berge zieht. Das stellt all unsere gängigen Vorstellungen von jüdischer Kultur auf den Kopf.

In diesem jüdischen Alpinismus offenbart sich aber noch eine weitere Sehnsucht als jene nach den Bergen: die tiefe Sehnsucht der Juden zu Beginn des 20.Jahrhunderts nach Teilhabe, nach Zugehörigkeit. Das Bergsteigen wurde, wie die Ausstellung im Jüdischen Museum der Stadt Wien anschaulich macht, zum bevorzugten Medium der Integration. Es versprach nicht nur ein existenzielles Naturerlebnis, es versprach auch, das Individuum „einzugemeinden“.

Exemplarisch zeigte sich diese Hoffnung in der Kleidung. Die Schau präsentiert zahlreiche Bilder von Juden in Trachten und Dirndlkleidern. Eines der skurrilsten Exponate ist eine Kippa bestickt mit Edelweiß, Enzian und Alpenrausch. Die Trachten bleiben aber eine Verkleidung. Man spielte darin Landleben und „fühlte sich durch und durch heimisch“. Man versuchte, sich damit einen Platz als Einheimischer zu schaffen. Heute, im Wissen darum, wie das Ganze ausgegangen ist, betrachtet man diese verzweifelten Versuche mit großer Beklemmung.

Und gerade angesichts heutiger Debatten um Kleiderordnungen zeigen die enttäuschten Hoffnungen der Juden in Lederhosen, dass Assimilation nicht der richtige Weg der Integration ist. Wie ein Kommentar dazu wirken die zahlreichen Fotografien in der Ausstellung, die orthodoxe Juden in ihrer Tracht in den Schweizer Bergen zeigen. Die schwarz gekleideten Gestalten bleiben darin Fremdkörper. Aber nur deshalb, weil wir alle genaue Vorstellungen haben, welche kulturellen Zeichen zur Bergwelt gehören. Hier erfahren wir anschaulich, wie sehr diese unsere Vorstellungen von den Nazis geprägt sind: 1938 erlassen sie ein Trachtenverbot für Juden. Das heißt, sie legen fest, wer das Recht hat, sich als alpenländisch zu identifizieren. Und sie geben vor, wie diese Identifizierung auszusehen hat. Sie hat Lederhosen an.

Die Alpen waren (und sind) der Kampfplatz, an dem Heimat und Zugehörigkeit verhandelt und entschieden wurde. Und die Ausstellung zeigt, wie die Juden diese Auseinandersetzung mit voller Leidenschaft führten – und wie sie sie verloren haben. Symptomatisch dafür ist die Geschichte der Alpenvereine. Diese weisen Anfang des 20. Jahrhunderts fast ein Drittel jüdischer Mitglieder auf. Ja, ein Jude, der Geologe Eduard Sueß, war sogar Mitbegründer des österreichischen Alpenvereins – unvorstellbar aus heutiger Perspektive, wo diese Institution als Inbegriff der Heimattümelei gilt. Dieses Image ist kein Zufall. Bereits 1921 hat der Alpenverein einen Arierparagrafen eingeführt, der alle jüdischen Mitglieder ausschloss. Eine bis dato unaufgearbeitete Geschichte. Umso erfreulicher ist die Mitarbeit des österreichischen Alpenvereins an der Ausstellung.

„Arisierung der Alpen“

Mit dieser Erzählung ist die Schau aber nicht nur eine Herausforderung für das jüdische, sondern mindestens ebenso sehr auch für das österreichische Selbstverständnis. Sie zeigt eine „Arisierung der Alpen“ , die sich als kulturelle Zuschreibung bis heute fortsetzt. Und sie versucht, das ist wohl ihr spannendstes Moment, dem gegenzusteuern. Durch die Erinnerung an einst namhafte jüdische Alpinisten, mehr noch durch die Rekonstruktion der Anfänge des Skifahrens und des Skitourismus.

Die Kuratoren haben die verschüttete Geschichte von Rudolf Gompez ausgegraben, einem Juden, der den Skilauf als modernen Sport ebenso wie den Skitourismus mitbegründet hat. Man muss sich das ganze Ausmaß dieses Unternehmens vor Augen halten: Hier wird ins Kernstück der österreichischen Identität eine jüdische Geschichte eingeschrieben! Das heilige Skifahren, der umfassende Skitourismus, das identitätsstiftende Moment des Alpenländischen schlechthin, wurde von Juden mitbegründet, miterfunden. Das ist wirklich zutiefst subversiv.