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18. Januar 2010

Österreicher Haneke und Waltz ausgezeichnet

Hanekes „Das weiße Band“ bester fremdsprachiger Film, Waltz bester Nebendarsteller – Bester Film und Beste Regie an „Avatar“

Los Angeles – Zwei Auszeichnungen (Bester Film, Beste Regie) für James Camerons Science-Fiction-Spektakel „Avatar“ und zwei Trophäen für Filmkünstler aus Österreich – das sind die wichtigsten Ergebnisse der heutigen 67. Golden-Globe-Gala in Los Angeles: Der Regisseur Michael Haneke und der Schauspieler Christoph Waltz setzten ihren gemeinsam bei den Filmfestspielen in Cannes begonnenen Siegeszug bei den zweitwichtigsten US-Filmpreisen fort. „Das weiße Band“ von Haneke erhielt den Golden Globe als bester nicht-englischsprachiger Film, Waltz wurde für seine Rolle des SS-Offiziers Hans Landa in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ als bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Oscar-Nominierungen am 2. Februar gelten nun als wahrscheinlich.

Haneke (67) hatte für seinen eindrücklichen und in deutsch-österreichisch-französisch-italienischer Koproduktion entstandenen Schwarz-Weiß-Film, der in Norddeutschland vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs den gesellschaftlichen und strukturellen Ursachen von Gewalt nachspürt, auch bereits drei Europäische Filmpreise gewonnen. In Hollywood nahm er den von der dortigen Auslandspresse vergebenen Preis von Sophia Loren entgegen. Der Regisseur bedankte sich ausdrücklich bei der Crew und den Kinderdarstellern: „Der Preis gehört auch euch!“

„Habe Bestätigung gebraucht“

Der in London lebende Wiener Schauspieler Christoph Waltz (53) erhielt seine Auszeichnung von der Schauspielerin Halle Berry überreicht und bedankte sich überschwänglich: „Ich habe Bestätigung gebraucht“, sagte er, „und ich habe sie von so vielen wundervollen Leuten bekommen. Ich hätte nie gedacht, dass meine Welt einmal Teil dieser Konstellation sein würde – und ihr habt sie sogar vergoldet.“ Waltz, der vor dem Tarantino-Film, in dem er als charmant-verschlagener „Judenjäger“ Stars wie Brad Pitt an die Wand spielt, einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt war, wird in seinem nächsten Filmprojekt unter David Cronenberg in „The Talking Cure“ Sigmund Freud spielen.

Als bester Film in der Sparte Drama ging der Kassenschlager „Avatar“ hervor. Auch Regisseur James Cameron konnte sich – zwölf Jahre nach seinem Globe für „Titanic“ – nicht zuletzt gegen seine Ex-Frau Kathryn Bigelow („The Hurt Locker“) durchsetzen. „The Hangover“ siegte in der Kategorie „Bester Film – Komödie/Musical“. Bester Animationsfilm wurde der Pixar-Streifen „Up“. Vergleichsweise enttäuschend verlief der Abend hingegen für den sechsfach nominierten Film „Up In The Air“ mit George Clooney, dessen Regisseur Jason Reitman nur für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Und das fünffach nominierte und prominent besetzte Musical „Nine“ ging überhaupt leer aus.

Als bester Hauptdarsteller in der Kategorie Drama wurde Jeff Bridges („Crazy Heart“) mit Standing Ovations bedacht, in der Sparte Musical/Komödie blieb Robert Downey Jr. als „Sherlock Holmes“ erfolgreich. Die Auszeichnungen für die besten Darstellerinnen gingen an Sandra Bullock für „The Blind Side“ (Drama) und Meryl Streep für die Verkörperung der Starköchin Julia Child in „Julie & Julia“ (Komödie). Erwartungsgemäß wurde auch Mo’Nique für ihre Rolle als tyrannische Mutter in dem Sozialdrama „Precious“ als beste Nebendarstellerin geehrt. Den Cecil B. DeMille-Award für das Lebenswerk nahm Martin Scorsese unter langem und lauten Applaus entgegen.

Spannung vor der Oscar-Verleihung

Mit den Entscheidungen bei den Golden Globes wächst nun die Spannung vor der Oscar-Verleihung am 7. März. Im Vorjahr blieben mit Danny Boyles „Slumdog Millionär“ die Sieger in den Hauptkategorien gleich. Und auch die Auszeichnung für den besten Nebendarsteller ging postum jeweils an Heath Ledger. Nur in der Kategorie des besten nicht-englischsprachigen Films konnte „Waltz with Bashir“ seinen Globe-Triumph bei den Oscars nicht mehr wiederholen.

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17. Dezember 2009

Die Rückkehr der Theatermacher

Über ein Vierteljahrhundert lang befetzten einander Autor Thomas Bernhard und Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld in privater Korrespondenz – Mit „Der Briefwechsel“ liegt dieses Match nun in Buchform vor

Spätestens ab dem 7. November 1984 war mit einem an seinen Verleger Siegfried Unseld gerichteten Schreiben ein Zerwürfnis begründet, das gut vier Jahre später sein für den heutigen Leser zumindest von der Lektüre her unterhaltsames Ende fand. Damals konnte und wollte der Chef des Suhrkamp-Verlags mit einem seiner wichtigsten Autoren nicht mehr: „lieber herr bernhard“ , heißt es da in einem Telegramm, „fuer mich ist die schmerzensgrenze nicht nur erreicht, sie ist ueberschritten. nach all dem, was in jahrzehnten und insbesondere in den beiden letzten jahren an gemeinsamem war, desavouieren sie mich, und sie desavouieren den verlag. ich kann nicht mehr.“

Tags darauf wurde von Wien aus der letzte gallige Witz des österreichischen Großschriftstellers Thomas Bernhard an seinen ewigen verlegerischen Reibebaum gesendet, den er später nur noch einmal 1989, zwei Wochen vor seinem Tod treffen sollte: „Lieber Siegfried Unseld, wenn Sie, wie Ihr Telegramm lautet, ,nicht mehr können‘, dann streichen Sie mich aus Ihrem Verlag und aus Ihrem Gedächtnis. Ich war sicher einer der unkompliziertesten Autoren, die Sie jemals gekannt haben.“

Jahrzehnte nach dieser bis 1984 intakten, leidenschaftlichen wie hasserfüllten, um Freundschaft flehenden wie gesellschaftliche Mindestumgangsformen oft scheuenden schriftlichen Korrespondenz liegt nun, nach einer von Gert Voss und Peter Simonischek eingelesenen Kurzfassung als Hörbuch endlich auch die gesamte Korrespondenz schriftlich vor.

Ausgehend davon, dass die Attraktion des Furchtbaren zwar nur schwer erklärbar, dafür aber für den Leser umso interessanter sei, werden wir hier über knapp 900 Seiten Zeuge einer einseitigen „Freundschaft“ . Bernhard richtet, Ende 1961 mit 30 Jahren ein weitgehend erfolgloser Schriftsteller, ein Bittschreiben an den berühmten deutschen Verleger. Dieser erbarmt sich des hoffnungslosen Dichters und beginnt, damals schlecht sich verkaufende Texte des Salzburger Autors zu veröffentlichen. Kaum einer überspringt damals die Dreitausender-Auflage.

Parallel zu Bernhards Erfolg bei der Kritik und dank seiner zunehmend gut vermarktbaren Theaterstücke beginnt Thomas Bernhard vor allem ab den 1970er-Jahren, seinen Verlag und Verleger zunehmend zu triezen und zu quälen, am Schmäh zu führen und zu hintergehen. Für die damalige Zeit exorbitante Vorschüsse werden nicht zurückgezahlt. Bernhard beginnt seine mehrteiligen Kindheitserinnerungen, ausgehend von Die Ursache, im Salzburger Residenz Verlag zu veröffentlichen. Ein Affront, dessen diesbezügliche Trauerarbeit großen Raum im Briefwechsel einnimmt.

Bernhard fordert Liebe, Anteilnahme, Geld, Geld, Geld. Mit dem Ankauf von Immobilien hat er sich heillos überschuldet. Angeblich auch, um sich in schreiberischen Zugzwang zu bringen. Über die Jahre wird der Umgangston des gesundheitlich chronisch angegriffenen Autors mit Unseld zunehmend höhnischer. 1979 beantwortet er etwa Unselds Bitte um ein Treffen: „Lieber Siegfried Unseld, wenn die Natur der Sache und die Natur selbst es erlauben, sehen wir uns am übernächsten Freitag den 29. in Stuttgart. Ich bin in guter Form und für alle möglichen Lebenszeichen besteht also bis zu diesem Datum keinerlei Anlass.“

Unseld bettelt in Folge um ihm versprochene Manuskripte. Bernhard verweigert die Rückzahlung von Darlehen. Dafür schwört er seinem Stammverlag die Treue: „Ich gehe nicht mehr fremd.“ Bernhard bricht seine Versprechen.

Spätestens mit dem Erscheinen von Wittgensteins Neffe 1982 steigt Thomas Bernhard zum „Skandalautor“ und literarischen Marktwert auf. Und er lässt diesen Fakt seinen Verleger genüsslich wissen. Das ergibt in Summe in über 500 Briefen ein Vierteljahrhundert großes, parlierendes, größenwahnsinniges wie kleinkrämerisches Tennis als Beziehungsdrama. Es liest sich heute so dramatisch wie die besten Stücke Bernhards.

Siegfried Unseld ahnte dies bereits 1968: „Ich stelle mir vor, was künftige Adepten des Studiums von Literatur- und Verlagsgeschichte bei der Lektüre unseres Briefwechsels sagen werden.“ Die Adepten sagen: Große Kunst wird nicht immer von guten Menschen geschaffen.

Thomas Bernhard / Siegfried Unseld -Der Briefwechsel (869 Seiten/ € 41,-), Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2009.

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