Archive for ‘Das Studium’

13. Februar 2010

„Also, wenn ich ehrlich bin…“

Mit gerade einmal 28 Jahren ist er Chef eines Traderteams und macht, was er am besten kann: sehr schnell entscheiden und Geld verdienen. Über das Innenleben eines Bankers

Mit gerade einmal 28 Jahren ist er Chef eines Traderteams und macht, was er am besten kann: sehr schnell entscheiden und Geld verdienen. Über das Innenleben eines Bankers.

Im 23. Stockwerk eines gläsernen Büroturms befindet sich die Handelsabteilung der österreichischen Großbank, bei der Robert Sailer im Investmentgeschäft tätig ist. Nach der Matura absolvierte Sailer, Jahrgang 1981, eine interne Ausbildung bei der österreichischen Bank, bei der er noch heute beschäftigt ist, zunächst im Back Office, dann im Handel, später Börsenhändlerprüfungen in London, Zürich und Wien sowie diverse Ausbildungsseminare im Investmentbereich. Seit 2007 ist er Chef einer Gruppe im Anlagenhandel.

Von breiten Fensterfronten umgeben, eröffnet das Großraumbüro den Blick hinunter auf die Stadt, die von hier oben ungewöhnlich fern und klein erscheint. Es herrscht reger Betrieb. Dutzende von Menschen telefonieren, hämmern auf Tastaturen ein oder starren gebannt auf Monitore, auf denen Zahlen und Kurven in scheinbar endlosem Durcheinander flimmern. Nicht jeder würde sich an einem solch hektischen Arbeitsplatz wohl fühlen. Diejenigen, die es tun, haben etwas ganz Bestimmtes vor. Sie wollen Geld und Ruhm ernten. Die Handelsabteilung der Bank ist eine Kaderschmiede für junge Aufsteiger.

„Fünf bis sechs Millionen im Jahr“

Robert Sailer ist einer von ihnen. Mit gerade einmal 28 Jahren bereits das zehnte Jahr bei der Bank beschäftigt, kann er sich mittlerweile Chef eines fünfköpfigen Trader-Teams nennen. Der Bondhandel, für den er verantwortlich ist, ist primär ein Eigenhandel der Bank, bei dem es darum geht, Investments möglichst gewinnträchtig am Markt einzusetzen. In dieser Funktion hat er es nicht mit Privatkunden, sondern mit institutionellen Anlegern zu tun, vor allem jedoch mit den Sales Units im eigenen Haus, denen er als Price Provider Auskünfte über die Preise gibt, zu denen bestimmte Anlagenarten profitabel gehandelt werden. Die Aufgabe seiner Gruppe ist klar definiert: „Wir sind angehalten, Geld zu verdienen für die Bank, und das nicht wenig.“ Das Budget, das die Gruppe erreichen muss, wird durch jährliche Benchmarks vorgegeben, die zum 1. Januar eines Jahres abgerechnet werden. „Ich muss fünf bis sechs Millionen Euro im Jahr bringen, alleine, und meine Händler jeder so um die eineinhalb Millionen Euro. So, und ich hab jetzt einmal gute fünf Millionen aufgedrückt bekommen, mit denen muss man erst einmal klarkommen. Also, so einfach ist das nicht, vor allem wenn jedes Jahr am 1.1. die Uhr wieder auf Null geht. Es wird wieder alles zurückgedreht, und das Ergebnis, das man im Vorjahr gehabt hat, ist weg. Und man beginnt wieder von neuem und macht sich Gedanken darüber: Wie werd ich das überhaupt schaffen können?“

Die Sorge, die sich in solchen Fragen andeutet, gleicht Robert Sailer durch eine Art Selbstbewusstsein aus, das nach außen keinen Zweifel an seinen erstklassigen Kompetenzen aufkommen lässt. Gern teilt er mit, wie viel Schwierigkeiten er damit hat, Aufgaben auf andere Leute zu übertragen, „weil ich natürlich immer davon überzeugt bin, dass ich es am besten mache und am meisten Geld verdiene“ . Den Grund seines Erfolges sieht Sailer in einer außergewöhnlichen Begabung, die ihm eigen sei. „Also, was mir schon sehr viele Leute gesagt haben, beziehungsweise wovon ich auch selber überzeugt bin: Ich hab typische Händlereigenschaften. Das heißt, ich bin sehr, sehr entschlussfreudig und sehr, sehr schnell. Das heißt, ich muss binnen zweier Sekunden entscheiden: Geh ich das Risiko ein? Kauf ich das? Verkauf ich das oder nicht? Sofort!“

Den Instinkt schulen

Der Nachdruck, mit dem Sailer auf seine persönlichen Fähigkeiten abstellt, erklärt sich vielleicht dadurch, dass er in seinem bisherigen Werdegang auf kein Studium zurückblicken kann, was ihm mit Blick auf höhere berufliche Ziele als Nachteil erscheint. „Volkswirtschaftlich hab ich einfach einen Aufholbedarf.“ Bevor Sailers Karriere als Investmentbanker begann, probierte er es mit einem Studium für das Lehramt Geschichte. Auch eine Bewerbung für die Polizei war bereits auf dem Weg, als sich bei einer österreichischen Bank eine Chance bot, die er ergriffen hat. „Sobald ich in das Bankwesen eingetreten bin, hab ich gewusst: Händler ist der Job, den ich machen möchte.“ Angeleitet wurde er im Zuge eines internen Ausbildungsgangs von seinem damaligen Chef, der ihm nicht nur das notwendige Produktwissen beibrachte, sondern auch seinen Instinkt schulte, auf den Sailer seither nicht wenig stolz ist. „Mein Mentor, der mich eingeschult hat, hat gesagt: ,Ich muss dich um halb drei in der Früh aufwecken können und fragen, und du sagst mir ungefähr einen Preis. Ungefähr, du musst es mir nicht ganz genau sagen, aber ich möchte sofort einen Preis haben. Und du musst ungefähr wissen, wo der Markt steht, um eine schnelle Indikation zu geben, dann bist du sicher.‘“

Mittlerweile gehört es für ihn zum Tagesgeschäft, binnen Sekundenfrist Millionen von Euro zu transferieren. Für den Umstand, dass er es hierbei bereits weit gebracht hat, besitzt Sailer, der seine langen Haare zu einem Zopf gebunden trägt, eine Erklärung, mit der er aus Unterschieden im beruflichen Werdegang einen Vorteil macht, was die eigene Befähigung angeht. „Also, rein optisch pass ich nicht in die Vorstellung eines klassischen Investmentbankers. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich so erfolgreich und so weit gekommen bin. Weil ich doch ein bisschen anders bin als die anderen. Ich hab auch nicht unbedingt die klassischen Statussymbole, die ein Banker braucht – abgesehen jetzt einmal von meiner Uhr.“

Schadensbegrenzung

Die habituelle Eignung für den Wertpapierhandel, die er sich selber zuschreibt, schien ihn vergleichsweise lange zu tragen. „Vor Lehman“, wie bei Sailer die Zeitenwende der Bankenkrise heißt, habe es keine Probleme gegeben. Er glaubte, den Markt wie seine Westentasche zu kennen. Als sich vor zwei Jahren bereits die ersten Engpässe auf den Finanzmärkten zeigten, hat er seine Portfolios soweit im Wert reduziert, dass er Verluste um ein Vielfaches geringer halten konnte, als wenn er die vormalige Anlagengröße beibehalten hätte. Sich selbst rechnet Sailer diese Art Schadensbegrenzung als professionellen Umgang mit den Wechselfällen des Finanzhandels an. Die Bank allerdings erwartet Rendite, weshalb es seither keine Bonuszahlungen mehr für ihn gab. Sailer versucht, darauf mit einem gewissen Gleichmut zu reagieren: „Bonus ist schön und gut, meine Rechnungen zahl ich mit dem Fixgehalt.“ Nach Lehman jedoch stellt sich eine tiefe Verunsicherung bei ihm ein. Niemand habe damit gerechnet, dass es zu solch einem dramatischen Einbruch kommen würde, der in Robert Sailers Sicht selbst September Eleven weit in den Schatten stellt. „Die Zeiten haben sich geändert. Ich kann jetzt mit einem Ticket, mit dem ich früher hundertfünfzig Millionen gemacht habe, vielleicht dreißig Millionen machen, und das ist schon viel. Es geht nicht mehr, weil auch die Liquidität fehlt. Früher hab ich zweihundert, dreihundert, vierhundert Millionen Euro am Stück handeln können. Da hab ich einen Händler angerufen und gesagt: Ich brauch ein Offer für dreihundert Millionen, und hab’s (er schnipst mit den Fingern) so einfach bekommen. Jetzt müssen wir über fünf, sechs Ecken gehen, um den Markt nicht komplett aufzuscheuchen.“

Für die Turbulenzen, die er seither durchzustehen hat, sieht Sailer zwei verantwortliche Akteure am Werk. Zum einen die Amerikaner. Hinter dem Entschluss der US-Notenbank, anstelle von Lehman Brothers Merrill Lynch zu stützen, vermutet er ein Komplott gegen Europa. „Ich glaube, dass Lehman viel stärker in Europa exponiert war, darum hat man gesagt: ,Okay, wir können Lehman fallen lassen.‘ Ich glaub, dass das bewusst gesteuert worden ist. Weil die CDO-Transaktionen und die ABS-Transaktionen – das waren ja Europäer, die das gekauft haben. Im Grunde genommen haben die Amerikaner ihre schlechten Assets gut verpackt und haben’s den Europäern angedreht, und die Europäer haben’s gekauft. Natürlich war da auch immens viel Liquidität vorhanden, und die Leute haben sich drauf gestürzt, ohne wirklich bis ins Detail zu wissen, was sie eigentlich gekauft haben. Und das ist uns, und vor allem den Deutschen, massiv auf den Kopf gefallen.“

Zum anderen seien die institutionellen Anleger schuld an dem ganzen Debakel. Sie hätten wissen müssen, worauf sie sich eingelassen haben. „Wenn ich heute etwas kaufe, und vorgestern war in der Zeitung, dass es eine schlechte Bilanz bringen wird und sonst auch Probleme hat, und ich kaufe das trotzdem, und einen Tag später habe ich einen Default, dann kann ich dem Verkäufer, von dem ich es habe, nicht sagen: ,Hallo, du hättest mich informieren müssen.‘“

„Das hat sich keiner vorstellen können“

Den Banken selbst hält er zugute, dass vor der Finanzkrise kaum jemand die Risiken habe abschätzen können: „Es war wirklich eine einmalige Sache in der Historie, dass der Kapitalmarkt so zum Erliegen gekommen ist. Man kann das den Bankern nicht vorwerfen. Weil das Szenario, das wir jetzt in den letzten zwei Jahren erlebt haben, was ganz Spezielles ist. Das hat sich keiner vorstellen können.“

Wenn Sailer auf diese Weise vor allem auch sich selbst von jeder Verantwortung entlastet, so offenbart sich im Eingeständnis, mit der Krise überfordert gewesen zu sein, auch ein persönliches Charakteristikum. Sailer, der gerne mit seinem professionellen Jagdinstinkt renommiert, ist in Wirklichkeit ein Gehetzter, dem das Scheitern dicht auf den Fersen ist. Zwar glaubt er, bereits von neuem Witterung aufnehmen zu können, da die Märkte langsam wieder funktionieren und größere Anlagepositionen Gewinne versprechen. Doch steht hinter allem die ständige Angst, zu versagen oder eine wichtige Transaktion zu verpassen. Schon kleinste Fehler oder „Nichterreicher“ könnten ihn den Arbeitsplatz kosten, wie er plötzlich mit der Wortwahl gewöhnlicher Arbeitnehmer fortfährt. Getrieben vom Anspruch, zu den Besten zu gehören, läuft er tatsächlich einer Existenzangst davon, die ihn manchmal wie die Aussicht auf ein drohendes Unheil überkommt. Entlastung verspricht seine Vorstellung, nach der die Welt der schnellen Gewinne und rapiden Verluste nur eine Episode in seinem Leben darstellt: „Also, wenn ich ganz ehrlich bin, hoffe ich, dass ich in zehn Jahren irgendwo ein kleines Lokal habe oder einen kleinen Biobauernhof, und da komplett was anderes mache, sag ich Ihnen. Weil irgendwann steht’s einem bis hier oben!“

Das Buch „Strukturierte Verantwortungslosigkeit. Berichte aus der Bankenwelt“ der Soziologen Sighard Neckel (Professor an der Uni Wien) und Claudia Czingon (Projektassistentin) umfasst 31 Porträts von Bankern und Bankerinnen und erscheint im Juni bei Suhrkamp.

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12. Februar 2010

Volkssport Apple durch den Kakao ziehen

Andrea Maria Dusl hat sich die iPad-Parodien auf Youtube angesehen und weiß jetzt, wie der Schmäh rennt

Monatelang hatte die Gerüchteküche gebrodelt. Computer-Sterndeuter und Gadget-Propheten hatten auf ihren Blogs mit Namen und Aussehen des neuen Geräts gedealt. Nicht irgendeines neuen Geräts. Eines neuen Apple-Geräts. Nach iMac, iPod und iPhone schlug bald die Stunde des neuen iJawasdennjetzt. Die einen wussten, es würde iSlate heißen, die anderen tippten auf iTablet. Photogeshoppte Schnappschüsse und 3-D-Entwürfe des geheimen Projekts zirkulierten durch die Geekforen. Einmal sah das Ding aus der nächsten Welt aus wie der abgeschraubte Bildschirm eines Notebooks, dann wieder wie ein aufgeblasenes iPhone. Analysten hörten das Gras wachsen und gaben im Tagestakt neue Visionen über Cupertinos kommenden Geniestreich bekannt.

Elektrobilderrahmens aus der Ramschecke

Die Einzigen, die schwiegen, waren die Jungs und Mädchen im Infinite Loop, dem Silicon-Valley-Hauptquartier von Apple. Als der Hohepriester des Appleismus am 27. Jänner um 10 Uhr pazifischer Zeit die Bühne des Yerba Buena Center for the Arts in San Francisco betrat, durfte er sicher sein, einen größeren Krater in die Medienwelt zu schlagen. Steve Jobs, Computerguru, nach einer Lebertransplantation zu einer hageren Gestalt mit hohlen Wangen mutiert, überraschte die Welt mit genau dem, was sie sich vom Gadget-Imperium Apple erwartet hatte. Die eierlegende Wollmilchsau, das Gerät, das alles kann und das jeder braucht. Na ja, fast. Mit der Präsentation des iPad öffnete Apple nicht nur neue Tore für die Consumer-Elektronik, der Computerkonzern setzte auch eine ganz andere Maschinerie in Gang. Die große, weite Welt der Apple-Parodie bekam neues Futter. Und was für welches! Ein Gerät mit dem Aussehen, nun ja, eines Elektrobilderrahmens aus der Ramschecke, mit einem Namen aus dem Herrenwitze-Himmel. Heißt der neue Geniestreich Steve Jobs‘ doch, ähem, Slipeinlage. Monatsbinde.

iParodie

Der erste iPad-Witz-Clip, der auf Youtube durch die Decke ging, musste gar nicht einmal neu produziert werden. Er war schon 2005 gedreht worden. Von der Parodistentruppe MADtv. Alfred E. Neumanns Kollegen vom Fernsehsketch hatten in prophetischer Voraussicht ein präsumtives Hygieneprodukt aus dem Hause Apple durch den Kakao gezogen. Auf www.youtube.com/watch?v=lsjU0K8QPhs vertiefen sich zwei affektierte amerikanische Bürotussis in der Parodie eines Werbespots in explizitem Talk über Strategien und Produkte zur persönlichen Monatshygiene. Die Dialoge schürfen ihr Comedy-Gold aus der Zweitbedeutung des Wortes Pad, das im Amerikanischen so viel wie Slipeinlage bedeutet. Im Finale des Clips tanzen überfröhliche Hippiemädchen in einer Parodie der legendären Apple-iPod-Spots: schwarze Silhouetten vor buntem Hintergrund – das weiße Kultgerät zwischen den Beinen.

In einem CNN-Bericht stellen sich zwei der Original-Akteure, Schauspielerin Arden Myrin und Gagschreiber Bruce McCoy, die durchaus berechtigte Frage, ob bei Apple womöglich keine Frauen arbeiten. Und selbst wenn dem so wäre, wie könnte man so lange an einem Produkt und seinem Marketing forschen, ohne auf die Doppelbedeutung des Wortes Pad zu stoßen?

Sketch

Ebenfalls aus den Tiefen der Hygienefaktor-Archive kommt der National-Lampoon-Sketch „TamPod„. Zwei Freundinnen stehen am Rand einer College-Sportbahn und stretchen ihre trainierten Körper. Im Stil einer Tampon-Werbung diskutieren sie die Absorptionsqualitäten des neuen TamPods. So angenehm, so saugfähig, so zuverlässig! Haben sich die bei Apple das nicht angeschaut? Oder etwa doch? Wie auch immer, Apple schulde ihnen was für die Inspiration zum iPad, meinen die Macher des National-Lampoon-Sketches trocken.

Metaebene

Eine Metaebene höher geht ein anderer Clip ans Werk. Im Stil der Apple-Werbetestimonials sprechen Mac-affine Geeks vor blütenweißem Hintergrund Klartext. Als Apple- Parodie-Autoren seien sie begeistert, bekennen die Nerds, man brauche keine Witze über das iPad schreiben, das iPad mache die Witze ganz von selbst. Amir Blumenfeld, dicke Brillen, legeres Hemd, Senior Vice President der Firma Size Jokes ist begeistert über das Riesen-iPhone. Sam Reich, T-Shirt, Vollbart, Brille wird als Senior Vice President der Firma Wordplay vorgestellt und referiert über die Qualitäten des iPads als Star von Monatshygienewitzen. Sarah Schneider, Typus Publizistikstudentin, ist Senior Vice President von Kindle Jokes, einem erfundenen Unternehmen, das Witze über Amazons E-Book-Reader unter die Leute bringt: Neue Zeiten brechen an! Wir betreten Comedyneuland, jubelt ein Pullovernerd mit Vollbart, ebenfalls Vizepräsident, zuständig für Gags über Unbrauchbarkeit. Auf den Punkt bringt es schließlich Dan Gurewitch, Präsident von Meta Jokes, im wirklichen Leben Stand-up-Comedian: Es ist, als hätte das iPad einen großen „Kick me“-Zettel am Rücken kleben. Die Parodisten von „College Humor“ haben nicht unrecht: „Dieses Produkt wird die Art verändern, wie wir Späße über Apple machen.“

Amateur

Neben professionellen Witzemachern tummeln sich auch Privatkomödianten auf Youtube und ähnlichen Web-Portalen. Max von TruckTVGermany zum Beispiel, ein Halbtrottel mit aufgemaltem Schnurrbart, er kalauert vor der Fahrerkabine eines Renault-Trucks und erklärt am Objekt, wie man aus einem alten Laptop ein iPad macht. Brachialhumor für die Jungs aus dem Dorf. Ähnlich derb ist der Witz von „Rambo“. Auf www.youtube.com/watch?v=4yFlq17pVm4 sieht man den verwackelten Packshot einer Slipeinlage mit Apple-Logo. Der Off-Text orientiert sich am trockenen Stil der Gadget-Blogger-Reviews. Er ist beileibe nicht der Einzige. Das Genre der iPad-Verarschungen wächst nahezu stündlich um neue Clips aus den Kinderzimmern dieser Welt.

Wirklich lustig sind hingegen die Bearbeitungen zweier legendärer Filmszenen. In der Neusynchronisation von Gus Van Sants berühmter Barszene aus Good Will Hunting gibt Matt Damon einen stotternden Depp, dem ein aufgeblasener Apple-Computernerd reindrückt, was ein iPad ist.

Der Untergang

Mit der unfreiwilligen Komik, die die deutsche Sprache für amerikanische Ohren hat, spielt eine köstlich untertitelte Sequenz aus Oliver Hirschbiegels „Der Untergang„. Hitler tobt. Das neue Apple-Tablet ist da. Der Führer wütet. Es hat keine Kamera, es läuft nicht unter OSX, es ist nicht multitaskfähig, und telefonieren kann man damit auch nicht.

Wie sagt Stand-up-Comedian Gurewitch? „Das iPad wird die Art verändern, wie wir Späße über Apple machen!“

Andrea Maria Dusl

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18. Januar 2010

Monogamie birgt evolutionären Vorteil

Monogame Beziehung laut Untersuchung Win-Win-Situation für beide Partner – historischer Ursprung der Monogamie bleibt unklar

Forscher sehen in der Entwicklung einer monogamen Beziehung deutliche evolutionäre Vorteile für beide Partner. Dadurch, dass Männer im Vertrauen bestärkt werden, dass die gemeinsamen Kinder ihre echten Erben sind und Frauen davon überzeugt sind, dass die Nachkommen Vorteile aus diesem „gesicherten“ Erbe ziehen, ist die monogame Beziehung eine Win-Win-Situation, schreiben Laura Fortunato vom University College in London und Marco Archetti von der Harvard University in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Journal of Evolutionary Biology.

Die Betrachtungsweise der Forscher zweifelt jene Theorien über fixe Partnerschaften an, die die Rolle der Religion und der soziologischen Vorteile, Männer vom Kampf um Partnerinnen abzuhalten, hervorheben. Auch diese Theorien kommen zum Schluss, dass das Aufgeben von mehreren Ehefrauen oder Partnerinnen Männer aufopfernder für die Interessen der Gruppe macht.

„Es gibt einige Situationen, in denen die monogame Beziehung die bessere Strategie für beide ist“, so Fortunato. Sie hat ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem man herausfinden kann, wie solche Szenarien tatsächlich funktionieren könnten. Monogamie ist nach Ansicht der Forscher etwa dann für beide besser, wenn das Land zum Anbau knapp ist. „Es ist zu risikoreich, wenig Land unter vielen Nachkommen aufzuteilen.“ Das sei einfach nicht klug.

Historische Ursprung unklar

Die „Erfindung“ der Monogamie bleibt weiterhin ein Rätsel. Feststeht, dass im Codex Hammurabi, dem babylonischen Gesetzeswerk etwa 1.800 vor Christus, Polygamie verboten war. Fortunato hält dies allerdings von der Paarbildung und der sexuellen Monogamie auseinander, welche von frühen Menschen praktiziert wurde. Da in vielen Gesellschaften verschiedene Formen der Polygamie vorhanden sind, könne man nicht von einer „zwangsläufigen“ sozialen Monogamie ausgehen.

In der Modellbetrachtung von Populationen – einmal unter dem Aspekt monogamer, ein anderes Mal unter dem polygamer Männer über zwei Generationen – war Monogamie in frühen agrarischen Kulturen die für beide bessere Variante. „Wie das in der realen Welt tatsächlich ausgesehen haben mag, bleibt allerdings ein Rätsel“, so die Forscher.

Link

12. Januar 2010

Flashmobs: Piraten ziehen sich aus Protest gegen Nacktscanner aus

„Ihr braucht uns nicht scannen – Wir sind schon nackt“

Aus Protest gegen die geplante Einführung von Nacktscannern haben Mitglieder der Piratenpartei am Sonntag auf mehreren deutschen Flughäfen Flashmobs veranstaltet und sich dabei ausgezogen. Die Aktion stand unter dem Motto: „Ihr braucht uns nicht scannen – Wir sind schon nackt“.

Aktionen auf den Flughäfen von Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf

Um 14.00 Uhr starteten die Piraten ihre Aktionen auf den Flughäfen von Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf. Die Veranstalter betonten, Nacktscanner erhöhten die Flugsicherheit nicht, verletzten aber die Persönlichkeitsrechte der Reisenden.

Flashmobs sind über Internetforen oder Handys verabredete Aktionen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.

12. Januar 2010

Hände weg von meiner Paranoia (Robert Misik)

In Kolumnen und Kommentaren wird nach dem „Unterhosenattentat“ viel darüber gejammert, dass der Westen nun wieder in „Sicherheitswahn“ und „Terrorpanik“ verfalle – Von Robert Misik

Unter den vielen Meldungen, die dem gescheiterten Anschlag des nigerianischen „Unterhosenbombers“ auf eine Passagiermaschine in Detroit folgten, sticht eine als besonders amüsant hervor: Die jetzt allgemein geforderte Einführung von Nacktscannern könnte sich in Großbritannien empfindlich verzögern. Und zwar, weil die Scanner gegen das britische Kinderpornographiegesetz verstoßen würden, das jegliche „Abbildungen“ nackter Kinder kategorisch verbietet. Man könnte dies gut als Kurzschluss zweier gesellschaftlicher Paniken charakterisieren: einerseits die Panik, wir könnten jederzeit einem Terroranschlag zum Opfer fallen; andererseits die allgegenwärtige Sorge, böswillige Perverse könnten den lieben Kleinen etwas zuleide tun. Beide Gefahren haben in den vergangenen zehn Jahren für Schlagzeilen, Einschaltquoten und leise Hysterie gesorgt. Jetzt fährt gewissermaßen die eine Panik der anderen in die Parade.

Aber bei dieser anekdotischen Heiterkeit bleibt es dann auch schon. Schließlich ist fraglich, ob die Geschäftigkeit und das Stakkato an Forderungen nach neuen Sicherheitsmaßnahmen, die jedem – gelungenen oder gescheiterten – Anschlag folgen, wirklich als „Panikreaktionen“ zu charakterisieren sind. Denn die Überbietungsstrategien von Medien und Politikern, die immer und erwartungsgemäß noch mehr Gesetze, die Einführung von noch besseren Technologien fordern, gehen doch ganz augenscheinlich an der Stimmung der Bevölkerung vorbei. Wo genau ist eigentlich die Panik? Wer steigt denn bibbernd ins Flugzeug? Wer fühlt sich wirklich unsicher, wenn er einen Bahnhof betritt? Wer bettelt denn darum, den Sicherheitsbehörden alle Bürgerrechte auszuliefern, vermeintlicher Sicherheit wegen?

Die große Aufregung ist jedenfalls nirgendwo zu konstatieren – eher eine bemerkenswerte Gelassenheit. Und das ist längst ein wiederkehrendes Muster. Schon als 2005 Anschläge auf die Londoner U-Bahn, die „Tube“, 50 Menschen töteten, war von der „heroischen Gelassenheit“ der Briten die Rede. Da schleppten sich die Überlebenden aus den U-Bahn-Schächten, schnippten sich die Asche von den Schultern, gingen ins nächste Starbucks und sagten druckreif in die TV-Kameras: „Damit haben wir doch täglich gerechnet.“

Nicht, dass westliche Gesellschaften nicht erregbar und hysterisierbar wären. Die Kulturalisierung und Religionisierung von Konflikten, wie sie in den vergangenen Jahren Einzug gehalten hat, trägt tatsächlich oft paranoide Züge – die Angstlust, dass „uns“ die Moslems „überschwemmen“, dass „wir“ und „der Islam“ einfach nicht zusammenpassen und „wir“ in Europa, der Migration wegen, „von Moslems umzingelt“ sind, diese Politpathologie hat sich bis in den gesellschaftlichen Mainstream hineingefressen. Aber eine Terrorhysterie gibt es nicht.

Auch wenn auf jeden Attentatsversuch neue, oft erratische Sicherheitsmaßnahmen folgen: Dem „Schuhbomber“ verdanken wir, dass wir uns am Flughafen die Schuhe ausziehen müssen, dem Versuch, mit nachträglich gepanschten Explosivstoffen ein Flugzeug zu sprengen, verdanken wir die Unbequemlichkeit, uns Rasierwasser und Abschminkmilch jetzt am Reiseziel besorgen zu müssen. Ein wenig lästig ist das. Aber eine Bedrohung unserer liberalen Freiheitsrechte? Naja.

Logik des Ressentiments
Im Grunde liegen die Dinge auf der Hand und die Bürger scheinen dafür ein vernünftiges Verständnis zu haben: Hundertprozentige Sicherheit ist – auch mit ausgeklügeltster Technik – nicht zu haben. Also ist man bereit, das kleine Risiko, das bleibt, zu tragen.

Ha, sagen da einige gelernte Linke, daran sehe man, dass die neuen Sicherheitsmaßnahmen nur der inneren Aufrüstung dienen, kleine Schritte zur totalitären Kontrolle aller seien, aber gegen terroristische Anschläge gar nichts bringen. – Gewiss ist es immer eine Abwägungsfrage, ob solche Maßnahmen nicht zu sehr in unser aller Privatsphäre eingreifen. Aber es bleibt doch ein schaler Geschmack, wenn diese Abwägungsfragen zu Glaubensfragen hochstilisiert werden. Beispiel „Nacktscanner“: Warum sollte gerade ein Körperscanner meine Privatsphäre unerträglich beeinträchtigen? Es ist ja grotesk: Oft sind es die selben Leute, die sich im Supermarkt eine Kundenkarte aufschwätzen lassen oder bei Amazon ihre Bücher bestellen und damit großen Unternehmen ihre Konsumvorlieben frei Haus liefern, die die Vorstellung empört, ein Flughafenbeamter könnte ihnen unter die Wäsche schauen und ihre Intimpiercings sehen.

Womöglich ist das eine Geschmacksfrage, aber es lassen sich gute Grunde anführen, dass die klassische Gepäckskontrolle inklusive der Begutachtung ungewaschener Socken entwürdigender ist.

Zu diesen diskursiven Fragwürdigkeiten zählt auch die Häme, die nach den Pannen um den „Unterhosenbomber“ nun den Geheimdiensten und anderen Sicherheitsbehörden entgegenschlägt. Einerseits wird angemerkt, dass die geringe Zahl der versuchten Terrorattacken die Sammelwut an Daten nicht rechtfertige, ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass es vielleicht durchaus auch die Erfolge der Sicherheitsbehörden sind, die Terrorpläne schon im Vorfeld vereiteln. Andererseits wird die Panne, dass Abdulmutallab trotz aller Warnungen durch alle Kontrollen schlüpfen konnte, als Beweis dafür genommen, dass die Sicherheitsdienste sich in ihren Datenkonvoluten hoffnungslos verheddern. – Da ist gewiss etwas dran: Wenn man tausende Hinweise sammelt, Millionen E-Mails scannt, hunderttausende Telefonate auf verdächtige Catch-Phrasen abhört, dann weiß man zwar theoretisch viel, aber praktisch bleibt dieses Wissen unter einem Datenfriedhof begraben. Nur wirkt es etwas bizarr, wenn dieses Argument just von jenen vorgebracht wird, die stets etwas alarmistisch vor einem „Überwachungsstaat“ warnen. Denn wenn man sich vor der Kontrollleidenschaft undemokratischer Sicherheitsdienste fürchtet, dann ist das doch eine gute Nachricht, dass diese ihre Datenmengen nicht mehr zu beherrschen vermögen.

Man darf sich also schon fragen, ob die Rede vom „Überwachungsstaat“ nicht eine Prise wahnhafter ist als der beklagte „Sicherheitswahn“ selbst. Wenn es Tendenzen in Richtung Überwachungsgesellschaft gibt, dann sind die Einfallstore eher die flächendeckende Videoüberwachung und das Datentrading großer Firmen. Aber dass sich die Bürger aus Terrorpanik in die Arme einer globalen Megastasi werfen – diese These braucht schon den Humus der Paranoia.

Vielleicht fügt sie sich aber auch nur bestens in ein Weltbild des Ressentiments, das in sich nicht einmal besonders stimmig sein muss: Dass Sicherheitsdienste dumm und inkompetent sind; dass sie uns umfassend kontrollieren; dass „der Westen“ grundsätzlich kopflos auf islamistische Terroristen reagiere; selbst die steile These, dass Obama auch nichts anderes als Bush täte, fügt sich blendend in dieses selbstgestrickte Bescheidwissen, das sich aus der Realität nur immer die Mosaiksteine rauspickt, die das Ressentiment scheinbar bestätigen.

Zur Person:

Buchautor und Videoblogger Robert Misik ist Staatspreisträger für Kulturpublizistik 2009 und lebt in Wien.

12. Januar 2010

Facebook-Gründer: Privatsphäre nicht mehr so wichtig

Zeiten hätten sich geändert – Privacy-Änderungen nur Anpassung an gesellschaftliche Trends

Wohl kein anderes Service ist in Hinblick auf sein Verhältnis zum Thema Privatsphäre so oft in der Kritik wie das soziale Netzwerk Facebook. Während die einen darin schlicht ein nützliches Service zur Erweiterung des Freundeskreises sehen, warnen andere vor den langfristigen, negativen Auswirkungen einer solch freiwilligen Dauerentblößung.

Trends

Am Rande der CES lässt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nun mit seiner eigenen Theorie zu dem Thema aufhorchen. In einem Interview zeigt er sich davon überzeugt, dass Facebook keineswegs die zunehmende Aufgabe der Privatsphäre befördere, viel mehr sei es die allgemeine gesellschaftliche Haltung zu dieser Thematik, die sich in den letzten Jahren nachhaltig geändert habe, ein Trend dem man lediglich folge.

Entwicklung

Als er mit der Entwicklung von Facebook begonnen habe, haben ihn noch viele nach dem Sinn einer solchen Entwicklung gefragt, warum sollten sie irgendwelche Informationen über sich ins Internet stellen, warum überhaupt eine Website haben. In Folge habe sich zuerst Blogging durchgesetzt und dann alle möglichen Services, bei denen UserInnen verschiedenste Informationen mit anderen teilen können.

Änderungen

Facebook hatte erst vor wenigen Wochen für heftige Diskussionen gesorgt, nachdem man in einer Änderung der Privacy-Policy dazu übergegangen ist die Profile der eigenen NutzerInnen von Haus aus öffentlich zu schalten. Zuckerberg verteidigt diesen Schritt nicht nur, sondern sieht dies gar als Beweis für die Innovationskraft von Facebook: Viele andere Services hätten sich solch eine Änderung angesichts von 350 Millionen BenutzerInnen wohl nicht getraut, man selbst will aber immer einen frischen Zugang behalten, und da sich die sozialen Normen geändert haben, würde man heute Facebook von Haus aus mit öffentlichen Profilen starten. Vor zwei Jahren hatte Zuckerberg übrigens noch gegenüber ReadWriteWeb zu Protokoll gegeben, dass für Facebook Privacy das zentrale Thema sei.

5. Januar 2010

Verurteilter Bürgerrechtler legt Berufung ein

Erfolgschancen aber praktisch bei null

Nach seiner Verurteilung zu elf Jahren Gefängnis hat der prominente chinesische Bürgerrechtler Liu Xiaobo Berufung eingelegt. Sein Anwalt Shang Baojun berichtete am Dienstag in Peking, den Antrag bereits vier Tage nach dem Urteil am 25. Dezember eingereicht zu haben. Eine Entscheidung durch das höchste Pekinger Volksgericht sei noch nicht gefallen. „Wir warten immer noch auf eine Mitteilung.“ Es gilt allerdings als aussichtslos, dass das ungewöhnlich hohe Urteil gegen den Ehrenpräsidenten des chinesischen Pen-Clubs unabhängiger Schriftsteller umgeworfen werden sollte.

Der Erste Mittlere Volksgericht hatte den 53-Jährigen wegen Anstiftung zum Umsturz der Staatsgewalt verurteilt. Als Beweise galten seine Mitarbeit an der „Charta 08“, einem Appell für Demokratie und Menschenrechte in China, sowie regimekritische Aufsätze, die Liu Xiaobo im Internet veröffentlicht hatte. Das Urteil hatte international Bestürzung und heftige Kritik ausgelöst. Dem Gericht wurde vorgeworfen, den ehemaligen Universitätsdozenten und Literaturkritiker allein wegen der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung hinter Gitter gebracht zu haben.

5. Januar 2010

Der nackte Mensch

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung werden Bürgerrechte beschnitten

„Ich kann Ihnen mit aller Klarheit sagen, dass wir diesen Unfug nicht mitmachen.“ 14 Monate ist es her, seit der damalige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble den Vorstoß der EU-Kommission ablehnt hat, Körperscanner für Flugpassagiere einzuführen. Nach dem verhinderten Attentatsversuch von Detroit hat Deutschland seinen Widerstand aufgegeben, die Niederlande, Großbritannien wollen auch Nacktscanner einführen. Seit Montag müssen in den USA Passagiere, die aus 14 verdächtigen Ländern kommen, durch dieses Gerät.

In Deutschland gibt es zumindest Debatten: über gesundheitliche Risiken, über den Schutz der Intimsphäre. Zu den Kritikern gehören die Polizeigewerkschaft und der Bund deutscher Kriminalisten. In Österreich gibt es nicht einmal auf politischer Ebene eine Diskussion. Es wird abgewartet – wie so oft. Angesichts bisheriger Erfahrungen ist nicht zu erwarten, dass sich just österreichische Politiker querlegen, wenn nun die EU-Kommission Nacktscanner vorschreibt.

Auf EU-Ebene hat zuletzt Ende November Innenministerin Maria Fekter zwar Kritik am Abkommen zum Austausch von Bankdaten mit den USA geübt. Sie hat das Abkommen dann aber nicht verhindert, sondern sich nur der Stimme enthalten. Experten befürchten, dass Daten weniger zur Terrorabwehr denn zur Wirtschaftsspionage genutzt werden, weil Überweisungen Aufschluss über Geschäftsbeziehungen geben können.

Der Terrorbekämpfung soll auch die Vorratsdatenspeicherung dienen, die heuer in Österreich eingeführt wird. Sechs Monate müssen Telekommunikationsunternehmen Daten aufbewahren, wer via Telefon oder Internet wann, mit wem, wie lange und von wo aus kommuniziert. In Deutschland haben 34.938 Bürger gegen die von der EU vorgeschriebene Speicherung geklagt. In Österreich verlangen zwar einzelne Berufsgruppen wie Anwälte, Journalisten und Ärzte Ausnahmen, eine öffentliche Debatte darüber gibt es aber nicht.

Spanien möchte die gerade übernommene EU-Präsidentschaft nutzen, um seinen Plan voranzutreiben, Daten über mutmaßliche Terroristen zwischen den Staaten auszutauschen. Dabei wurden auch in Österreich seit dem von den USA ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ Überwachungsinstrumente wie die Handy-Ortung massiv ausgebaut.

Das Mindeste, was eine Bürgergesellschaft im Dilemma zwischen Freiheit und Sicherheit bewahren muss, ist das Bewusstsein für den Preis, den sie zahlt. Es ist eine Gratwanderung. Und es sollte darüber diskutiert werden, welche Maßnahmen wirklich notwendig sind. Auch in Österreich. Nacktscannen, das nicht peinlich ist, gibt es nicht, genauso wenig wie eine Datenspeicherung, die die Persönlichkeitsrechte unberührt lässt.

Auch im Falle des gescheiterten Attentäters von Detroit hat es Warnungen gegeben. Letztlich war es Zivilcourage von Passagieren, die den Anschlag verhinderte. Ein Nacktscanner hätte den Sprengstoff, der in der Unterhose versteckt war, nicht entdeckt. In Saudi-Arabien trug ein Attentäter den Sprengstoff im Körperinnern. Viele der Anti-Terror-Maßnahmen schaffen eine Illusion von mehr Sicherheit, mehr nicht. Der Körperscanner bekämpft Angst, aber nicht individuellen Terror, um den Preis der Freiheitseinschränkung aller.

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5. Januar 2010

Gefährliches Wegschauen

Die Hilferufe aus dem zerfallenen Staat bleiben in Washington wie in Brüssel ungehört

Fußball, Tanzen und Kinos sind verboten. Seit die Shabaab-Miliz immer größere Gebiete von Somalia kontrolliert, werden Männer ohne Bart ausgepeitscht und Frauen unter Druck gesetzt, Gesichtsschleier zu tragen. 2008 wurde ein 13-jähriges Mädchen gesteinigt, es war vergewaltigt worden. Man hatte ihm daraufhin „Ehebruch“ vorgeworfen. Kein Wunder, wenn selbst Premier Omar Sharmarke meint, Somalia sei schlimmer als Afghanistan.

Mit dem Unterschied: Somalia kümmert niemanden. Die Hilferufe aus dem zerfallenen Staat, der zu einer Basis für radikalislamistische Gruppen und Terroristen aus der ganzen Welt geworden ist, bleiben in Washington wie in Brüssel ungehört. Der Westen unterstützt zynisch und ignorant ehemalige Islamistenführer, die kurz vorher noch völlig verpönt waren. Es ist eine Dauerübung im Wegschauen. Somalia gilt als verloren. Man überlässt das Territorium einer zahnlosen UN-Mission und einer mittellosen Übergangsregierung, die zuschauen darf, wie kontinuierlich alles noch schlimmer wird.

Das Wegschauen ist gefährlich. Denn in Somalia herrscht kein Bürgerkrieg. Die Al-Kaida-nahe Gruppe verbindet kein Clan, sondern eine Ideologie. Al-Shabaab rekrutiert Jugendliche für 150 Dollar pro Monat auch aus den Flüchtlingslagern aus Kenia. Afghanen und Tschetschenen in Somalia führen ohnehin einen globalen Krieg. Die Regierung zu stürzen ist nur eines der Ziele der Miliz. Sie droht auch mit Gewalt in Uganda, Burundi oder Kenia.

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4. Januar 2010

Wenn der Mensch wie Vieh behandelt wird

Infolge des Zweiten Weltkriegs waren Millionen Menschen auf der Flucht. Ein polnisches, nun auch auf Deutsch veröffentlichtes Buch beschreibt das Leid von Deutschen, Polen, Ukrainern und Juden

Frauen in Wintermänteln irren durch die Ruinen einer Stadt. Auf dem Rücken tragen sie Bündel mit Habseligkeiten. An der Hand halten sie kleine Kinder. Der Himmel ist grau verhangen. Alle frieren. Doch wer sind sie? Deutsche auf der Flucht vor der Roten Armee 1945? Polen, kurz vor dem Abtransport zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich 1940? Juden im Warschauer Ghetto 1943? Ukrainer in Lemberg, die ins Innere der Sowjetunion deportiert werden?

Das Titelbild des Atlanten Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung könnte für alle Vertreibungen in Mittel- und Osteuropa von 1939 bis 1959 stehen. Für die der Polen und Juden, der Deutschen und Ukrainer, der Litauer und Weißrussen, der Tschechen und Slowaken. In Polen wurde das Buch als bestes populärwissenschaftliches Werk des Jahres 2009 mit einem Historikerpreis ausgezeichnet. Nun hat es der Weltbild-Verlag in Augsburg in deutscher Sprache herausgebracht.

Die Vertreibung ist ein Thema, das in Polen immer wieder heftig diskutiert wird. Nicht nur deshalb, weil ein gewaltiger Nachholbedarf besteht: Bis 1989 durfte im kommunistisch regierten Polen weder über die Vertreibung der Deutschen gesprochen werden noch über die Massendeportationen der Polen in die Sowjetunion. Auch die Vernichtungspolitik der Nazis gegenüber den Juden war ein Tabu, ebenso die Vertreibung der Ukrainer durch die Polen.

Die Ideologie von den „wiedergewonnenen Gebieten im Westen“ sollte darüber hinwegtäuschen, dass Stalin die polnische Kriegsbeute aus dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 nach Kriegsende behalten durfte. Während in Westdeutschland die Vertriebenen ihre angeblich „ungerechtfertigt hohe Strafe für den Zweiten Weltkrieg“ beklagten, mussten die Polen schweigen. Die eigene Vertreibung aus den „Kresy“, den polnischen Ostgebieten mit den Städten Lemberg, Wilna und Grodno, wurde euphemistisch als „Repatriierung“ bezeichnet. Dabei mussten die meisten Ostpolen 1945 in den von den Deutschen verlassenen Gebieten neu anfangen. In Schlesien, Pommern und Ostpreußen war alles fremd. Von einer „Heimkehr ins Vaterland“ konnte keine Rede sein.

Auch die Geschichtspolitik in Deutschland über den Heimatverlust und das Unrecht der Vertreibung sorgt in Polen immer wieder für Aufregung. Denn die Ersten, die ihre Heimat verloren, waren keine Deutschen. Die Vertreibung begann 1939 mit dem Überfall Hitlers und Stalins auf Polen.

Das Buch zeigt genau dies auf. Hitlers „völkische Flurbereinigung“ begann mit der „Heim ins-Reich“-Politik. Den Balten- und Rumäniendeutschen, den Wolhynien-, Galizien- und Bessarabien-Deutschen, die sich in Trecks auf den Weg machten, hatten die Nazis bessere Bauernhöfe in „Großdeutschland“ versprochen. Im Warthegau wurden Polen und Juden massenweise vertrieben, um Platz für die Siedler zu machen.

Im Kreis Zamosc (Zamosch) in Südostpolen vertrieben die Nazis die Einwohner aus rund 300 Dörfern, verschickten die einen zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich, die anderen in KZs und Arbeitslager und ermordeten viele an Ort und Stelle. Die Kinder, so sie blond und blauäugig waren, wurden den Eltern geraubt, mit dem Zug nach Deutschland geschafft und dort an „rassisch einwandfreie SS-Familien“ verteilt.

Während die Deutschen ihren Teil des besetzten Polens mit Ghettos, KZs, Arbeits- und Durchgangslagern überzogen, deportierten die Sowjets aus dem von ihnen besetzten Teil Polens hunderttausende Menschen nach Sibirien. Wie die Deutschen benutzen auch die Sowjets vorwiegend Viehwagons zum Transport der Menschen. Viele starben an Hunger, Kälte, Entkräftung. Die Deutschen ermordeten Polens Elite in „Intelligenzaktionen“, die Sowjets erschossen über 20.000 Reserveoffiziere. Damit wollten Hitler wie Stalin verhindern, dass aus Polen jemals wieder ein souveräner Staat werden könnte.

Im Buch wird auch die Evakuierung, Flucht und Vertreibung der Deutschen in den Westen ausführlich geschildert. Aber auch die Massendeportationen der Deutschen ins Landesinnere der Sowjetunion 1944 und 1945 kommen nicht zu kurz. Zahlreiche Karten zeigen den sich immer weiter nach Westen schiebenden Frontverlauf und die Fluchtwege. Knapp 7,5 Millionen Deutsche flohen 1944/45 aus den Ostprovinzen des Deutschen Reiches in den Westen oder wurden später von Polen und Russen vertrieben.

600.000 bis 1,2 Millionen Menschen fanden dabei den Tod. Die Gauleiter hatten viel zu spät den Befehl zur Evakuierung gegeben. Viele Frauen und Kinder mussten sich mitten im Winter mit Pferdewagen oder zu Fuß auf den Weg machen. Ohne Beschönigung beschreiben die polnischen Autoren aber auch, wie es in den Lagern für Deutsche vor der endgültigen Aussiedlung aussah.

Das Kapitel über die deutschen Vertriebenen endet mit der „Aktion Familienzusammenführung“: Rund 350.000 Personen verließen in den Jahren 1950 bis 1959 Polen.

Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung. Ost- und Mitteleuropa 1939 bis 1959. Von Grzegorz Hryciuk, Malgorzata Ruchniewicz, Bozena Szaynok, Andrzej Zbikowski, aus dem Polnischen von Werner Hoelscher-Valtchuk. Weltbild, 253 Seiten, 14,95 Euro

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