Archive for Juni, 2011

4. Juni 2011

FIFA 12: Keine Hendl mehr als Fußballspieler

Der neueste Teil der Serie hat tatsächlich einige grundlegende Neuerungen zu bieten

Objektiv betrachtet muss man sagen, dass das im Herbst erscheinende FIFA 12 Pflichtspiel für die heimische Nationalmannschaft werden sollte. Besonders für die Verteidigung. Denn sportliche Tragödien wie gegen Belgien und die Türkei würden sich vermeiden lassen, wenn die Kicker die Vorgänge in dem im Herbst erscheinenden nächsten Teil der FIFA-Serie verstehen würden.

„Tactical Defending“

Das Spiel, das am Donnerstag bei einer Preview in Köln demonstriert wurde, hat tatsächlich einige grundlegende Neuerungen zu bieten. Dazu gehört eben beispielsweise ein neues Verhalten der Verteidigung, „Tactical Defending“ genannt. Die computergesteuerten Spieler laufen nicht mehr wie aufgescheuchte Hendl zu viert auf einen ballführenden Fußballer zu, sondern halten bis zu einem gewissen Punkt Abstand und schränken so durch bessere Aufteilung die Räume ein.

Doch das Spiel kommt auch durch andere Dinge deutlich näher an die Realität heran. Die „Player Impact Engine“ ist eines davon. Die kleinen Männchen in den bunten Dressen laufen nicht mehr einfach nur ineinander, Tacklings und Zweikämpfe werden durch die über zwei Jahre dauernde Neuentwicklung lebensnäher. Auch Schwere und Folgen von schlecht getimten Tacklings können so besser simuliert werden.

Enger dribbeln

Für den Anfänger lobenswert ist wiederum die Möglichkeit, deutlich enger dribbeln zu können als in den früheren Versionen. Lionel Messi kann sich, wie im richtigen Leben, mittlerweile samt Ball fast auf einem Bierdeckel umdrehen. Was auch von Bedeutung ist, da die AI mittlerweile den Eigenschaften ihrer Spieler mehr Beachtung schenkt. Steht ein großer, kopfballstarker Spieler im Strafraum, kommt eine hohe Flanke. Ist es dagegen ein Ballkünstler wie Messi, wird eher Tikitaka versucht.

Bei einem ersten anspielbaren Testmatch zwischen den Gunners aus London, also Arsenal, und Lokalrivalen Chelsea machen sich all diese Veränderungen durchaus positiv bemerkbar. Das Spiel wirkt eindeutig flüssiger und feiner abgestimmt. Die ausgefeiltere Verteidigung macht sich bezahlt, welche Einstellung möglich sind, etwa stärkeres Pressing, blieb bei der ersten Präsentation aber unklar. Was für die heimischen Fußballer aber wohl zweitrangig wäre, scheitern die doch meist grandios schon am Konzept der Raumverteidigung.

FIFA 2012 (official homepage)

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4. Juni 2011

Exzess mit Kapuzineräffchen

Mit „Hangover 2“ geht Todd Philipps‘ US-Erfolgskomödie um ein paar Männerfreunde, die sich im Rausch vergessen, in Serie

Das Prinzip bleibt nahezu gleich – ein paar unverbrauchte Ideen hätten nicht geschadet.

Von der Weigerung ihrer Protagonisten, erwachsen zu werden, leben zeitgenössische US-Komödien schon geraume Zeit ganz gut. Es gibt die Buben unter den Männern, die lieber unter sich bleiben, als sich mit Frauen einzulassen, und damit das Neo-Genre der „bromance comedy“ rund um Produzent Judd Apatow begründet haben. Und es gibt jene, die sich innerlich nie von ihrer College-Zeit getrennt haben und das Leben als eine einzige Abfolge von Räuschen, Sexabenteuern und dummen Streichen betrachten.

Todd Philipps‘ Komödie Hangover hat dazwischen eine kleine Nische gefunden und damit 2009 weltweit sensationelle 450 Millionen Dollar (bei einem Zehntel der Produktionskosten) eingespielt: Die Helden, der Schönling Phil (Bradley Cooper), der herzensgute Zahnarzt Stu (Ed Helms), selbst der etwas exzentrischere Nerd Alan (Zach Galifianakis) waren amerikanische Durchschnittstypen. Während eines Wochenendes in Las Vegas durften sie all das erleben, was ihnen im bürgerlichen Leben verwehrt blieb.

Ein Exzess mit Deadline – eine eigentlich recht spießige Angelegenheit, die der erste Teil mit anarchischer Geste völlig aus dem Ruder laufen ließ. Die Komik verdankte sich einer gemeinsam erfahrenen Peinlichkeit, die erst am Tag nach dem Absturz in ein paar benebelten Schritten aufgedeckt werden musste, weil jedem die Erinnerung daran fehlte.

Hangover 2, den nun erneut Philipps inszeniert hat, erweitert wie die meisten Sequels eine Erzählung zur Formel, ohne ihr dabei viele neue Einfälle zuzuführen. Statt mit einem Tiger wachen die Freunde diesmal in Gegenwart eines Kapuzineräffchens in einem schäbigen Hotel in Bangkok auf, ein Gesichtstattoo, ein abgeschnittener Finger und der exaltierte Gangster Mr. Chow (Ken Jeong) lassen den Schluss zu, dass es in der Nacht wieder heiß hergegangen ist. Eigentlich in Thailand, um die Hochzeit von Stu zu feiern, begeben sich die Kumpels auf die Suche nach dem verschollenen Teenage-Bruder der Braut, Teddy (Mason Lee) – der Finger gehörte nämlich zu ihm.

Das Biest im Inneren

Natürlich wird daraus wieder eine Konfrontation der Helden mit inneren Dämonen, die sie sich nicht eingestehen wollen. Vor allem Stu stößt auf seine verborgenen Wünsche, „the beast in me“, wie er einmal bemerkt, als er von seinen Sexualpraktiken mit einem Transsexuellen erfährt. Das Drehbuch beutet, anders als im runder wirkenden ersten Teil, hier jedoch zu vorhersehbar all jene Stereotype aus, die um Bangkok kursieren: von buddhistischen Schweigemönchen, die mit dem Schlagstock operieren, über Liebesdienste und Drogenmissbrauch bis zu mafiösen Untergrundnetzwerken, die den Film an den Rand der Action-Komödie führen.

Die All-American Guys tauchen durch diese Welt der Laster freilich nur hindurch, bleiben dabei jedoch allzu heil und intakt. Während es in den Filmen der Farrelly-Brüder, auf deren Brachialhumor auch Philipps aufbaut, stets darum geht, die triebhaften, regressiven oder auch nur dämlichen Seiten einer vermeintlichen Normalität anzuerkennen, treten Phil, Stu und Alan am Ende ein wenig selbstsicherer aus ihrem Schlamassel hervor.

Dem Erfolg tut dies keinen Abbruch: Hangover 2 startete in Nordamerika mit 86,5 Millionen Dollar so stark wie noch keine Komödie davor.

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4. Juni 2011

Sex mit Elvis

Eine Naturgewalt kehrt zurück: Die New Yorker Jon Spencer Blues Explosion gastiert am Montag im Wiener Flex

Im Moment stürzen sich auf Ebay dutzende Nerds wegen der jüngsten Jon-Spencer-Blues-Explosion-Veröffentlichung in die Schulden. Es ist eine Split-Single mit den Melvins: Beide Bands covern darauf den Ram-Jam-Song Black Betty.

Die New Yorker Jon-Spencer Blues Explosion (JSBX) hat das Lied für einen VW-Käfer-Spot eingespielt – auf ihre Art, denn im Namen Blues Explosion steckt die von Muddy Waters formulierte Evolutionstheorie des Rock ’n‘ Roll: „The Blues had a baby and they named it Rock ’n‘ Roll.“

Jonathan Spencer und sein Trio vertonen den Geburtsmoment und die Überführung des Blues in dessen wilden Nachfolger mit selten erlebter Besessenheit. Begonnen hat Spencer damit in den frühen 1990ern, nachdem er die Band Pussy Galore sein hat lassen.

Von deren Garagen- und Trümmer-Rock wandte er sich dem süffigeren Blues und Rock ’n‘ Roll zu, den er mit Judah Bauer und Russell Simins mit Wucht und Sexiness neu definierte. Die Welt war dazu noch nicht bereit, zumindest nicht in dem Ausmaß, das den White Stripes wenig später mit derselben Idee eine Weltkarriere ermöglichte.

Immerhin: Spencer war zusammen mit seiner Frau Christina einer der schärfsten Underground-Hipster der 1990er, der Elvis der Generation Punk. Nach einem Jahrzehnt Inexistenz – während deren Spencer hauptsächlich die Band Heavy Trash betrieben hat – kehrt er nun mit der Blues Explosion zurück, am Montag gastiert diese Rabiatperle im Wiener Flex.

Zurzeit gibt man ein Best-of-Programm aus Welthits, die nie welche wurden: Bellbottoms, Do You Wanna Get Heavy?, Afro … Zur Exekution reichen zwei Gitarren, Schlagzeug und dann und wann ein Theremin, um die Ekstase und den Irrsinn zu potenzieren.

Nächstes Wochenende findet im Burgenland das Festival Nova Rock statt. Im Vergleich zur Blues Explosion treten bei diesem Musikantenstadl unter freiem Himmel eigentlich nur Daumenlutscher auf. Tun Sie sich doch einen Gefallen, und schauen Sie sich das hier an:

JSBX live: 6. 6. Flex, 20.00

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3. Juni 2011

Wiener Donauinselfest: Programm veröffentlicht

80er-Veteranen Europe unter den Headlinern

Wien – Auch in seiner 28. Auflage fällt das – am Dienstagabend von Cheforganisator Sascha Kostelecky präsentierte – Programm des Donauinselfestes betont heterogen aus. Das dreitägige Freiluftspektakel bringt ab 24. Juni bei freiem Eintritt unter anderem das spirituell angehauchte Soulkollektiv Söhne Mannheims, die 80er-Veteranen Europe, das Avantgarde-Volksmusik-Duo Attwenger oder Schlager-Granden von Wörther- bis Edlseer auf die Bühne.

Trotz insgesamt 18 Bühnen hat man sich in Sachen Musikangebot heuer jedoch leicht zurückgenommen. Ein Grund: Die Ö3- fusioniert bekanntlich mit der Radio-Wien- zur ORF-Bühne, auf die  Radio-Arabella-Bühne wird verzichtet. Dies wird von den Organisatoren mit einem neuen Sicherheitskonzept argumentiert, das neben verstärkter Videokontrolle auch mehr Freiraum für die Besucher vorsieht.

Das divergierende Hörerpublikum der Radiosender schlägt sich durchaus im Line-up nieder. Konsenspop a la Train, James Cottriall oder Ich+Ich changiert mit Nostalgieausflügen in die 1980er mit etwa Peter Cornelius  oder den Headlinern Europen.  Die FM4-Bühne konzentriert sich erneut auf Acts der als alternativ geltenden Szene. Die Londoner Hip-Hop-Ikone Roots Manuva oder die Indiepop-Combos Chikinki und Shout Out Louds treffen auf österreichische Genregrößen wie Kreisky und Nino aus Wien.

Auf der Rockbühne bestreiten die Happy, 3 Feet Smaller und Danko Jones  die Abende, Russkaja sorgt   für Balkananstrich. Die Schlager- und Volksmusikbühne wird nach ihrer Einführung im Vorjahr nun aufgewertet, der Bogen spannt sich von den Alpenrebellen und Paldauern über Simone und Elisabeth Engstler bis zu Seppli & Florian und Musikantenstadl-Präsentator Andy Borg.

Anspruchsvolle Unterhaltung heftet sich einmal mehr das Ö1-Zelt auf die Fahnen. Geboten wird u.a. Kabarett und Singer-Songwritertum: Lukas Resetarits und Andreas Vitasek teilen sich die Bühne mit Clara Luzia und Francis International Airport. Um verstärkt Publikum bereits an den Nachmittagen anzulocken, wird nicht nur das Familienprogramm erweitert, sondern eine eigene „Action & Fun-Insel“ inklusive BMX- und Skate-Shows aus der Taufe gehoben.  DJs, Auftritte von Gewinnern eines im Vorfeld veranstalteten Bandcontests und Kostproben aus dem Country-Oeuvre ergänzen den Stilmix der drei Tage. (APA)

Donauinselfest (offical homepage)

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3. Juni 2011

Traurig tanzen

Die kanadische Formation Austra um Katie Stelmanis verbindet auf „Feel It Break“ den Synthie-Pop der 1980er-Jahre mit Gothic und klassisch gebildetem Gesang

Katie Stelmanis (c) Austra

Theatralische Popmusik auf den Grundlagen von klassischem Synthie-Pop aus den 1980er-Jahren unter besonderer Berücksichtigung der damals wie heute im Untergrund prosperierenden Gothic-Szene erlebt in der Szene spätestens seit Acts wie Florence & The Machine oder The Knife oder Zola Jesus ein kleines Comeback. Die junge kanadische, in Toronto lebende Sängerin Katie Stelmanis fügt sich dabei mit ihrer Band Austra und dem Debüt Feel It Break ohne weiteres Aufsehen nahtlos in dieses Phänomen. Ihr Hit Lose It, eine freundliche Variation alter ästhetischer Vorgaben von Genreheld Marc Almond und seinem Duo Soft Cell mit ihrem Durchbruch Non-Stop Erotic Cabaret von 1981 und Klassikern wie Tainted Love, Memorabilia oder Say Hello, Wave Goodbye, läuft auf Heavy Rotation. Und dieser Song definiert auch das gesamte Erscheinungsbild der insgesamt elf Stücke von Feel It Break.

Nicht etwa, dass Stelmanis und Austra dabei auch nur ähnlich hochwertige Meisterwerke des tragödischen Plastikpop gelingen. Immerhin ist die Kunst bei Austra streng retrospektiv angelegt, was beim Hören eher für nostalgische Gefühle als Hochstimmung bezüglich Innovation sorgt. Dennoch kann man den Liedern nicht jegliche Eigenständigkeit absprechen. Schließlich hat Katie Stelmanis beim Kinderchor der kanadischen Oper ebenso eine solide Gesangsausbildung genossen wie sie auch Viola und Klavier studierte.

Das führt dazu, dass im Hintergrund der Drumcomputer fröhlich rückwärtsgewandt programmiert wird und Bass-Ostinatos wie die spartanische Keyboardbegleitung in der Nachfolge Soft Cells keinerlei Neuwerte ergeben. Wie sich auch der helle wie kalte, tragödisch die oft queeren Songtexte durchdringende Gesang in den Refrains, mit dem man bisweilen Steine schneiden könnte, um dann während der Strophen interessant brüchig und lebensmüde bis zum nächsten Höhepunkt auszuharren, am Ende bezahlt macht.

Wer sich auf solch übermächtige Vorbilder beruft und dabei auch immer ein wenig die damaligen Hitparaden im Sinne Giorgio Moroders oder Depeche Modes mitdenkt, wird vom Vorwurf des reinen Kopistentums freigesprochen. Manchmal allerdings, das ist immer dann, wenn Katie Stelmanis die Nähe zur Esoterikheldin Enya oder zur Progpop-Übermutter Kate Bush sucht, kann auch der gute alte Synthie-Pop nichts retten.

Am Ende wird oft alles wieder gut: The Noise und The Beast, die beiden letzten Stücke, beweisen, dass Stelmanis nicht nur ihr Klavierstudium ernst genommen hat. The Noise zeigt auch, dass Austra im Zweifel nicht Depeche Mode hören, sondern lieber den abtrünnigen Depeche- Mode-Gründer Vince Clarke mit seinem späteren Duo Yazoo.

Austra (offical homepage)

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