Archive for ‘Die Soziologie’

20. Januar 2010

Demokraten verlieren wichtigen Senatssitz

Republikaner Brown gewinnt Nachwahl im Bundesstaat Massachusetts – Geplante Gesundheitsreform ist in Gefahr, da Demokraten nun weniger als 60 Stimmen im Senat halten

Washington – Dramatischer Rückschlag für US-Präsident Barack Obama: Seine Demokraten haben am Dienstag die wichtige Senatsnachwahl im Bundesstaat Massachusetts verloren. Damit verfügt Obama ein Jahr nach seiner Amtsübernahme in der kleineren Kongresskammer nicht mehr über die nötige 60-Stimmen-Mehrheit zur Durchsetzung wichtiger Gesetzesvorhaben. Auch seine Gesundheitsreform ist gefährdet.

Die Wahl hatte sich in den vergangenen Wochen zu einem Votum über die Reform und insgesamt über Obamas erstes Jahr im Weißen Haus entwickelt. Er war am 20. Jänner 2009 vereidigt worden.

Obama unterwegs nach Massachusetts

Nach Auszählung der meisten Stimmen lag der Republikaner Scott Brown (50) uneinholbar mit 52 zu 47 Prozent vor der vor kurzem noch hoch favorisierte demokratischen Kandidatin Martha Coakley (56). Sie räumte noch am Abend in einer Rede ihre Niederlage ein, kündigte eine „schonungslose“ Untersuchung die Ursachen für ihr Scheitern an und gratulierte dem Sieger. Obama war noch am Sonntag nach Massachusetts gereist, um die derzeitige Generalstaatsanwältin zu unterstützen und damit ein drohendes Debakel abzuwenden.

Der Staat ist traditionell eine liberale Hochburg. Bei der Wahl ging es um die Besetzung des Senatssitzes, der durch den Tod des äußerst populären Edward „Ted“ Kennedy im vergangenen Sommer freigeworden war. Er hatte den Sitz seit 1962 inne und eine grundlegende Gesundheitsreform mit einer Krankenversicherung für alle zu seinem Hauptziel gemacht. Vor ihm saß sein Bruder John F. Kennedy auf dem Platz.

Nun drohen Dauerreden

Die magische Zahl von 60 Stimmen ist nötig, um Filibuster (Dauerreden) der Minderheit zur Blockade oder Verzögerung von Gesetzesvorhaben im 100-köpfigen Senat zu verhindern. Bisher verfügten die Demokraten über 58 Mandate, erreichten die sogenannte Super-Mehrheit aber mit Hilfe von zwei Unabhängigen, die eine Fraktionsgemeinschaft mit ihnen bilden und in der Regel mit ihnen stimmen.

So konnte kurz vor Weihnachten eine Republikaner-Blockade der Senatsabstimmung über Obamas Gesundheitsreform durchbrochen werden. Der dann verabschiedete Entwurf unterscheidet sich aber deutlich von einer Vorlage, die das Abgeordnetenhaus gebilligt hat. Seit Anfang des Jahres wurde daher im Vermittlungsausschuss an einem Kompromiss gearbeitet, über den dann beide Kongresskammern erneut abstimmen müssten.

Die Demokraten überlegen nun, wie sie die Gesundheitsreform in ihren Kernpunkten noch retten können, ohne ein neues Votum im Senat zu riskieren. Eine Möglichkeit wäre, dass das Abgeordnetenhaus neu abstimmt, diesmal über die Senatsvorlage. Gibt die Kammer grünes Licht, könnte Obama das Gesetz unterzeichnen. In den USA müssen stets beide Häuser des Kongresses zustimmen, bevor ein Gesetz in Kraft treten kann.

Telegener Kandidat Brown

Noch vor wenigen Wochen hatte Coakleys Wahl als sicher gegolten. Doch innerhalb kurzer Zeit konnte der vordem US-weit kaum bekannte Brown entscheidend an Boden gewinnen. Der äußerst telegene bisherige Staatssenator in Massachusetts hatte in seinem Wahlkampf ganz entscheidend auf den verbreiteten Widerstand gegen die Gesundheitsreform gesetzt, die er selbst strikt ablehnt. Auch Obamas Klimaschutz-Plan mit einer deutlichen Reduzierung der Treibhausgase und die angestrebte Sondersteuer für mit Steuergeldern gerettete Banken will er bei den anstehenden Beratungen in diesem Jahr nicht unterstützen.

Großer Popularitätsverlust Obamas

Coakley ihrerseits hatte sich nach Einschätzung von Beobachtern zu stark auf ihre Favoritenrolle und Verbindungen zum politischen Establishment verlassen. Dagegen absolvierte Brown einen engagierten Wahlkampf, fuhr mit seinem Kleinlaster durch das Land und präsentierte sich als Kandidat des kleinen Mannes.

Die Entwicklung in Massachusetts spiegelt aber auch den schweren Popularitätsverlust Obamas wider. Bei der Vereidigung vor einem Jahr standen laut Umfragen bis zu 70 Prozent der Amerikaner hinter Obama – heute würden ihn nicht einmal mehr die Hälfte der Bürger wiederwählen. Nun müssen Obama und die Demokraten fürchten, dass die Schlappe in Massachusetts eine verheerende Sogwirkung für die Kongresswahlen im November haben wird. Dann stehen das gesamte Repräsentantenhaus sowie ein Drittel der Senatssitze zur Wahl.

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18. Januar 2010

Monogamie birgt evolutionären Vorteil

Monogame Beziehung laut Untersuchung Win-Win-Situation für beide Partner – historischer Ursprung der Monogamie bleibt unklar

Forscher sehen in der Entwicklung einer monogamen Beziehung deutliche evolutionäre Vorteile für beide Partner. Dadurch, dass Männer im Vertrauen bestärkt werden, dass die gemeinsamen Kinder ihre echten Erben sind und Frauen davon überzeugt sind, dass die Nachkommen Vorteile aus diesem „gesicherten“ Erbe ziehen, ist die monogame Beziehung eine Win-Win-Situation, schreiben Laura Fortunato vom University College in London und Marco Archetti von der Harvard University in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Journal of Evolutionary Biology.

Die Betrachtungsweise der Forscher zweifelt jene Theorien über fixe Partnerschaften an, die die Rolle der Religion und der soziologischen Vorteile, Männer vom Kampf um Partnerinnen abzuhalten, hervorheben. Auch diese Theorien kommen zum Schluss, dass das Aufgeben von mehreren Ehefrauen oder Partnerinnen Männer aufopfernder für die Interessen der Gruppe macht.

„Es gibt einige Situationen, in denen die monogame Beziehung die bessere Strategie für beide ist“, so Fortunato. Sie hat ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem man herausfinden kann, wie solche Szenarien tatsächlich funktionieren könnten. Monogamie ist nach Ansicht der Forscher etwa dann für beide besser, wenn das Land zum Anbau knapp ist. „Es ist zu risikoreich, wenig Land unter vielen Nachkommen aufzuteilen.“ Das sei einfach nicht klug.

Historische Ursprung unklar

Die „Erfindung“ der Monogamie bleibt weiterhin ein Rätsel. Feststeht, dass im Codex Hammurabi, dem babylonischen Gesetzeswerk etwa 1.800 vor Christus, Polygamie verboten war. Fortunato hält dies allerdings von der Paarbildung und der sexuellen Monogamie auseinander, welche von frühen Menschen praktiziert wurde. Da in vielen Gesellschaften verschiedene Formen der Polygamie vorhanden sind, könne man nicht von einer „zwangsläufigen“ sozialen Monogamie ausgehen.

In der Modellbetrachtung von Populationen – einmal unter dem Aspekt monogamer, ein anderes Mal unter dem polygamer Männer über zwei Generationen – war Monogamie in frühen agrarischen Kulturen die für beide bessere Variante. „Wie das in der realen Welt tatsächlich ausgesehen haben mag, bleibt allerdings ein Rätsel“, so die Forscher.

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12. Januar 2010

Flashmobs: Piraten ziehen sich aus Protest gegen Nacktscanner aus

„Ihr braucht uns nicht scannen – Wir sind schon nackt“

Aus Protest gegen die geplante Einführung von Nacktscannern haben Mitglieder der Piratenpartei am Sonntag auf mehreren deutschen Flughäfen Flashmobs veranstaltet und sich dabei ausgezogen. Die Aktion stand unter dem Motto: „Ihr braucht uns nicht scannen – Wir sind schon nackt“.

Aktionen auf den Flughäfen von Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf

Um 14.00 Uhr starteten die Piraten ihre Aktionen auf den Flughäfen von Berlin, Frankfurt am Main und Düsseldorf. Die Veranstalter betonten, Nacktscanner erhöhten die Flugsicherheit nicht, verletzten aber die Persönlichkeitsrechte der Reisenden.

Flashmobs sind über Internetforen oder Handys verabredete Aktionen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.

12. Januar 2010

Hände weg von meiner Paranoia (Robert Misik)

In Kolumnen und Kommentaren wird nach dem „Unterhosenattentat“ viel darüber gejammert, dass der Westen nun wieder in „Sicherheitswahn“ und „Terrorpanik“ verfalle – Von Robert Misik

Unter den vielen Meldungen, die dem gescheiterten Anschlag des nigerianischen „Unterhosenbombers“ auf eine Passagiermaschine in Detroit folgten, sticht eine als besonders amüsant hervor: Die jetzt allgemein geforderte Einführung von Nacktscannern könnte sich in Großbritannien empfindlich verzögern. Und zwar, weil die Scanner gegen das britische Kinderpornographiegesetz verstoßen würden, das jegliche „Abbildungen“ nackter Kinder kategorisch verbietet. Man könnte dies gut als Kurzschluss zweier gesellschaftlicher Paniken charakterisieren: einerseits die Panik, wir könnten jederzeit einem Terroranschlag zum Opfer fallen; andererseits die allgegenwärtige Sorge, böswillige Perverse könnten den lieben Kleinen etwas zuleide tun. Beide Gefahren haben in den vergangenen zehn Jahren für Schlagzeilen, Einschaltquoten und leise Hysterie gesorgt. Jetzt fährt gewissermaßen die eine Panik der anderen in die Parade.

Aber bei dieser anekdotischen Heiterkeit bleibt es dann auch schon. Schließlich ist fraglich, ob die Geschäftigkeit und das Stakkato an Forderungen nach neuen Sicherheitsmaßnahmen, die jedem – gelungenen oder gescheiterten – Anschlag folgen, wirklich als „Panikreaktionen“ zu charakterisieren sind. Denn die Überbietungsstrategien von Medien und Politikern, die immer und erwartungsgemäß noch mehr Gesetze, die Einführung von noch besseren Technologien fordern, gehen doch ganz augenscheinlich an der Stimmung der Bevölkerung vorbei. Wo genau ist eigentlich die Panik? Wer steigt denn bibbernd ins Flugzeug? Wer fühlt sich wirklich unsicher, wenn er einen Bahnhof betritt? Wer bettelt denn darum, den Sicherheitsbehörden alle Bürgerrechte auszuliefern, vermeintlicher Sicherheit wegen?

Die große Aufregung ist jedenfalls nirgendwo zu konstatieren – eher eine bemerkenswerte Gelassenheit. Und das ist längst ein wiederkehrendes Muster. Schon als 2005 Anschläge auf die Londoner U-Bahn, die „Tube“, 50 Menschen töteten, war von der „heroischen Gelassenheit“ der Briten die Rede. Da schleppten sich die Überlebenden aus den U-Bahn-Schächten, schnippten sich die Asche von den Schultern, gingen ins nächste Starbucks und sagten druckreif in die TV-Kameras: „Damit haben wir doch täglich gerechnet.“

Nicht, dass westliche Gesellschaften nicht erregbar und hysterisierbar wären. Die Kulturalisierung und Religionisierung von Konflikten, wie sie in den vergangenen Jahren Einzug gehalten hat, trägt tatsächlich oft paranoide Züge – die Angstlust, dass „uns“ die Moslems „überschwemmen“, dass „wir“ und „der Islam“ einfach nicht zusammenpassen und „wir“ in Europa, der Migration wegen, „von Moslems umzingelt“ sind, diese Politpathologie hat sich bis in den gesellschaftlichen Mainstream hineingefressen. Aber eine Terrorhysterie gibt es nicht.

Auch wenn auf jeden Attentatsversuch neue, oft erratische Sicherheitsmaßnahmen folgen: Dem „Schuhbomber“ verdanken wir, dass wir uns am Flughafen die Schuhe ausziehen müssen, dem Versuch, mit nachträglich gepanschten Explosivstoffen ein Flugzeug zu sprengen, verdanken wir die Unbequemlichkeit, uns Rasierwasser und Abschminkmilch jetzt am Reiseziel besorgen zu müssen. Ein wenig lästig ist das. Aber eine Bedrohung unserer liberalen Freiheitsrechte? Naja.

Logik des Ressentiments
Im Grunde liegen die Dinge auf der Hand und die Bürger scheinen dafür ein vernünftiges Verständnis zu haben: Hundertprozentige Sicherheit ist – auch mit ausgeklügeltster Technik – nicht zu haben. Also ist man bereit, das kleine Risiko, das bleibt, zu tragen.

Ha, sagen da einige gelernte Linke, daran sehe man, dass die neuen Sicherheitsmaßnahmen nur der inneren Aufrüstung dienen, kleine Schritte zur totalitären Kontrolle aller seien, aber gegen terroristische Anschläge gar nichts bringen. – Gewiss ist es immer eine Abwägungsfrage, ob solche Maßnahmen nicht zu sehr in unser aller Privatsphäre eingreifen. Aber es bleibt doch ein schaler Geschmack, wenn diese Abwägungsfragen zu Glaubensfragen hochstilisiert werden. Beispiel „Nacktscanner“: Warum sollte gerade ein Körperscanner meine Privatsphäre unerträglich beeinträchtigen? Es ist ja grotesk: Oft sind es die selben Leute, die sich im Supermarkt eine Kundenkarte aufschwätzen lassen oder bei Amazon ihre Bücher bestellen und damit großen Unternehmen ihre Konsumvorlieben frei Haus liefern, die die Vorstellung empört, ein Flughafenbeamter könnte ihnen unter die Wäsche schauen und ihre Intimpiercings sehen.

Womöglich ist das eine Geschmacksfrage, aber es lassen sich gute Grunde anführen, dass die klassische Gepäckskontrolle inklusive der Begutachtung ungewaschener Socken entwürdigender ist.

Zu diesen diskursiven Fragwürdigkeiten zählt auch die Häme, die nach den Pannen um den „Unterhosenbomber“ nun den Geheimdiensten und anderen Sicherheitsbehörden entgegenschlägt. Einerseits wird angemerkt, dass die geringe Zahl der versuchten Terrorattacken die Sammelwut an Daten nicht rechtfertige, ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass es vielleicht durchaus auch die Erfolge der Sicherheitsbehörden sind, die Terrorpläne schon im Vorfeld vereiteln. Andererseits wird die Panne, dass Abdulmutallab trotz aller Warnungen durch alle Kontrollen schlüpfen konnte, als Beweis dafür genommen, dass die Sicherheitsdienste sich in ihren Datenkonvoluten hoffnungslos verheddern. – Da ist gewiss etwas dran: Wenn man tausende Hinweise sammelt, Millionen E-Mails scannt, hunderttausende Telefonate auf verdächtige Catch-Phrasen abhört, dann weiß man zwar theoretisch viel, aber praktisch bleibt dieses Wissen unter einem Datenfriedhof begraben. Nur wirkt es etwas bizarr, wenn dieses Argument just von jenen vorgebracht wird, die stets etwas alarmistisch vor einem „Überwachungsstaat“ warnen. Denn wenn man sich vor der Kontrollleidenschaft undemokratischer Sicherheitsdienste fürchtet, dann ist das doch eine gute Nachricht, dass diese ihre Datenmengen nicht mehr zu beherrschen vermögen.

Man darf sich also schon fragen, ob die Rede vom „Überwachungsstaat“ nicht eine Prise wahnhafter ist als der beklagte „Sicherheitswahn“ selbst. Wenn es Tendenzen in Richtung Überwachungsgesellschaft gibt, dann sind die Einfallstore eher die flächendeckende Videoüberwachung und das Datentrading großer Firmen. Aber dass sich die Bürger aus Terrorpanik in die Arme einer globalen Megastasi werfen – diese These braucht schon den Humus der Paranoia.

Vielleicht fügt sie sich aber auch nur bestens in ein Weltbild des Ressentiments, das in sich nicht einmal besonders stimmig sein muss: Dass Sicherheitsdienste dumm und inkompetent sind; dass sie uns umfassend kontrollieren; dass „der Westen“ grundsätzlich kopflos auf islamistische Terroristen reagiere; selbst die steile These, dass Obama auch nichts anderes als Bush täte, fügt sich blendend in dieses selbstgestrickte Bescheidwissen, das sich aus der Realität nur immer die Mosaiksteine rauspickt, die das Ressentiment scheinbar bestätigen.

Zur Person:

Buchautor und Videoblogger Robert Misik ist Staatspreisträger für Kulturpublizistik 2009 und lebt in Wien.

12. Januar 2010

Facebook-Gründer: Privatsphäre nicht mehr so wichtig

Zeiten hätten sich geändert – Privacy-Änderungen nur Anpassung an gesellschaftliche Trends

Wohl kein anderes Service ist in Hinblick auf sein Verhältnis zum Thema Privatsphäre so oft in der Kritik wie das soziale Netzwerk Facebook. Während die einen darin schlicht ein nützliches Service zur Erweiterung des Freundeskreises sehen, warnen andere vor den langfristigen, negativen Auswirkungen einer solch freiwilligen Dauerentblößung.

Trends

Am Rande der CES lässt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nun mit seiner eigenen Theorie zu dem Thema aufhorchen. In einem Interview zeigt er sich davon überzeugt, dass Facebook keineswegs die zunehmende Aufgabe der Privatsphäre befördere, viel mehr sei es die allgemeine gesellschaftliche Haltung zu dieser Thematik, die sich in den letzten Jahren nachhaltig geändert habe, ein Trend dem man lediglich folge.

Entwicklung

Als er mit der Entwicklung von Facebook begonnen habe, haben ihn noch viele nach dem Sinn einer solchen Entwicklung gefragt, warum sollten sie irgendwelche Informationen über sich ins Internet stellen, warum überhaupt eine Website haben. In Folge habe sich zuerst Blogging durchgesetzt und dann alle möglichen Services, bei denen UserInnen verschiedenste Informationen mit anderen teilen können.

Änderungen

Facebook hatte erst vor wenigen Wochen für heftige Diskussionen gesorgt, nachdem man in einer Änderung der Privacy-Policy dazu übergegangen ist die Profile der eigenen NutzerInnen von Haus aus öffentlich zu schalten. Zuckerberg verteidigt diesen Schritt nicht nur, sondern sieht dies gar als Beweis für die Innovationskraft von Facebook: Viele andere Services hätten sich solch eine Änderung angesichts von 350 Millionen BenutzerInnen wohl nicht getraut, man selbst will aber immer einen frischen Zugang behalten, und da sich die sozialen Normen geändert haben, würde man heute Facebook von Haus aus mit öffentlichen Profilen starten. Vor zwei Jahren hatte Zuckerberg übrigens noch gegenüber ReadWriteWeb zu Protokoll gegeben, dass für Facebook Privacy das zentrale Thema sei.

5. Januar 2010

Verurteilter Bürgerrechtler legt Berufung ein

Erfolgschancen aber praktisch bei null

Nach seiner Verurteilung zu elf Jahren Gefängnis hat der prominente chinesische Bürgerrechtler Liu Xiaobo Berufung eingelegt. Sein Anwalt Shang Baojun berichtete am Dienstag in Peking, den Antrag bereits vier Tage nach dem Urteil am 25. Dezember eingereicht zu haben. Eine Entscheidung durch das höchste Pekinger Volksgericht sei noch nicht gefallen. „Wir warten immer noch auf eine Mitteilung.“ Es gilt allerdings als aussichtslos, dass das ungewöhnlich hohe Urteil gegen den Ehrenpräsidenten des chinesischen Pen-Clubs unabhängiger Schriftsteller umgeworfen werden sollte.

Der Erste Mittlere Volksgericht hatte den 53-Jährigen wegen Anstiftung zum Umsturz der Staatsgewalt verurteilt. Als Beweise galten seine Mitarbeit an der „Charta 08“, einem Appell für Demokratie und Menschenrechte in China, sowie regimekritische Aufsätze, die Liu Xiaobo im Internet veröffentlicht hatte. Das Urteil hatte international Bestürzung und heftige Kritik ausgelöst. Dem Gericht wurde vorgeworfen, den ehemaligen Universitätsdozenten und Literaturkritiker allein wegen der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung hinter Gitter gebracht zu haben.

5. Januar 2010

Der nackte Mensch

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung werden Bürgerrechte beschnitten

„Ich kann Ihnen mit aller Klarheit sagen, dass wir diesen Unfug nicht mitmachen.“ 14 Monate ist es her, seit der damalige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble den Vorstoß der EU-Kommission ablehnt hat, Körperscanner für Flugpassagiere einzuführen. Nach dem verhinderten Attentatsversuch von Detroit hat Deutschland seinen Widerstand aufgegeben, die Niederlande, Großbritannien wollen auch Nacktscanner einführen. Seit Montag müssen in den USA Passagiere, die aus 14 verdächtigen Ländern kommen, durch dieses Gerät.

In Deutschland gibt es zumindest Debatten: über gesundheitliche Risiken, über den Schutz der Intimsphäre. Zu den Kritikern gehören die Polizeigewerkschaft und der Bund deutscher Kriminalisten. In Österreich gibt es nicht einmal auf politischer Ebene eine Diskussion. Es wird abgewartet – wie so oft. Angesichts bisheriger Erfahrungen ist nicht zu erwarten, dass sich just österreichische Politiker querlegen, wenn nun die EU-Kommission Nacktscanner vorschreibt.

Auf EU-Ebene hat zuletzt Ende November Innenministerin Maria Fekter zwar Kritik am Abkommen zum Austausch von Bankdaten mit den USA geübt. Sie hat das Abkommen dann aber nicht verhindert, sondern sich nur der Stimme enthalten. Experten befürchten, dass Daten weniger zur Terrorabwehr denn zur Wirtschaftsspionage genutzt werden, weil Überweisungen Aufschluss über Geschäftsbeziehungen geben können.

Der Terrorbekämpfung soll auch die Vorratsdatenspeicherung dienen, die heuer in Österreich eingeführt wird. Sechs Monate müssen Telekommunikationsunternehmen Daten aufbewahren, wer via Telefon oder Internet wann, mit wem, wie lange und von wo aus kommuniziert. In Deutschland haben 34.938 Bürger gegen die von der EU vorgeschriebene Speicherung geklagt. In Österreich verlangen zwar einzelne Berufsgruppen wie Anwälte, Journalisten und Ärzte Ausnahmen, eine öffentliche Debatte darüber gibt es aber nicht.

Spanien möchte die gerade übernommene EU-Präsidentschaft nutzen, um seinen Plan voranzutreiben, Daten über mutmaßliche Terroristen zwischen den Staaten auszutauschen. Dabei wurden auch in Österreich seit dem von den USA ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ Überwachungsinstrumente wie die Handy-Ortung massiv ausgebaut.

Das Mindeste, was eine Bürgergesellschaft im Dilemma zwischen Freiheit und Sicherheit bewahren muss, ist das Bewusstsein für den Preis, den sie zahlt. Es ist eine Gratwanderung. Und es sollte darüber diskutiert werden, welche Maßnahmen wirklich notwendig sind. Auch in Österreich. Nacktscannen, das nicht peinlich ist, gibt es nicht, genauso wenig wie eine Datenspeicherung, die die Persönlichkeitsrechte unberührt lässt.

Auch im Falle des gescheiterten Attentäters von Detroit hat es Warnungen gegeben. Letztlich war es Zivilcourage von Passagieren, die den Anschlag verhinderte. Ein Nacktscanner hätte den Sprengstoff, der in der Unterhose versteckt war, nicht entdeckt. In Saudi-Arabien trug ein Attentäter den Sprengstoff im Körperinnern. Viele der Anti-Terror-Maßnahmen schaffen eine Illusion von mehr Sicherheit, mehr nicht. Der Körperscanner bekämpft Angst, aber nicht individuellen Terror, um den Preis der Freiheitseinschränkung aller.

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4. Januar 2010

Der Zeitgenosse unserer Träume

In den ersten Tagen des Jahres 1960 starb der große Albert Camus. Die Kraft seiner Literatur kommt aus der Einfachheit – und aus der Einsamkeit.

© STF/AFP/Getty Images

Der 4. Januar 1960 ist ein grauer, regnerischer Montag. Der Himmel hängt wie ein klammer weißer Handschuh dicht über der Erde. Seit einem Jahr lebt Albert Camus in der Grande Rue de l’Église in Lourmarin. Ein Haus auf dem Land! Sein Traum seit vielen Jahren. Ein Stück eigenes Leben, irgendwo in Algerien oder in der Provence.

Davon hat er schon als 18-Jähriger geschwärmt. Er musste erst Nobelpreisträger werden, um es endlich zu bekommen. Das Landhaus in Lourmarin, nicht weit vom Haus seines Freundes, des großen französischen Dichters René Char, liegt im Vaucluse, 59 Kilometer von Avignon entfernt. Es ist sein Rückzugsort, sein Miniaturgriechenland oder einfach »die schönste Gegend der Welt«.

Von der Terrasse seines Hauses aus sieht er auf die Zypressen des Dorffriedhofs. Hier sitzt er seit ein paar Monaten allein in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock und schreibt an seinem Roman Der erste Mensch. Nach Paris möchte er nicht zurück. Aber er leidet unter der Einsamkeit. Der kleine Esel im Stall vor dem Haus ist seine einzige Gesellschaft. Außer zum Mittagessen im Hotel Ollier sieht der Schriftsteller niemand.

Seit Tagen starrt er auf die zunehmend kahle Landschaft vor seinem Fenster und auf das weiße Blatt auf seinem Tisch. Wenn ihn Freunde besuchen, klagt er: »Ich habe erst ein Drittel meines Werks geschrieben. Eigentlich fängt es mit diesem Buch erst an.«

Er ist 46 Jahre alt und bildet sich ein, erst jetzt auf dem Land in Lourmarin zu einer Wahrheit in seinem Leben zu finden und zuvor in Algier, in Oran, in Lyon, in Paris in einer Art Lüge gelebt zu haben. Er atmet freier, erwähnt in seinen sonst so spröden Tagebüchern die wunderbaren, von Regenwasser beschwerten Rosen im Garten, den Rosmarin und die Schwertlilien.

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25. Dezember 2009

Kulturkampf im Dirndl und in Lederhosen

Die Ausstellung „Hast Du meine Alpen gesehen?“ widmet sich jüdischem Alpinismus – und damit der enttäuschten Sehnsucht nach Teilhabe und Zugehörigkeit

Wien – Die Ausstellung Hast Du meine Alpen gesehen? – Eine jüdische Beziehungsgeschichte ist eine echte Herausforderung! Würde nicht jeder meinen, Juden und Alpen – das sei einfach unvereinbar, geradezu widersprüchlich? Stattdessen wird uns hier eine unerwartete „love story“ präsentiert: Juden, die es in die Berge zieht. Das stellt all unsere gängigen Vorstellungen von jüdischer Kultur auf den Kopf.

In diesem jüdischen Alpinismus offenbart sich aber noch eine weitere Sehnsucht als jene nach den Bergen: die tiefe Sehnsucht der Juden zu Beginn des 20.Jahrhunderts nach Teilhabe, nach Zugehörigkeit. Das Bergsteigen wurde, wie die Ausstellung im Jüdischen Museum der Stadt Wien anschaulich macht, zum bevorzugten Medium der Integration. Es versprach nicht nur ein existenzielles Naturerlebnis, es versprach auch, das Individuum „einzugemeinden“.

Exemplarisch zeigte sich diese Hoffnung in der Kleidung. Die Schau präsentiert zahlreiche Bilder von Juden in Trachten und Dirndlkleidern. Eines der skurrilsten Exponate ist eine Kippa bestickt mit Edelweiß, Enzian und Alpenrausch. Die Trachten bleiben aber eine Verkleidung. Man spielte darin Landleben und „fühlte sich durch und durch heimisch“. Man versuchte, sich damit einen Platz als Einheimischer zu schaffen. Heute, im Wissen darum, wie das Ganze ausgegangen ist, betrachtet man diese verzweifelten Versuche mit großer Beklemmung.

Und gerade angesichts heutiger Debatten um Kleiderordnungen zeigen die enttäuschten Hoffnungen der Juden in Lederhosen, dass Assimilation nicht der richtige Weg der Integration ist. Wie ein Kommentar dazu wirken die zahlreichen Fotografien in der Ausstellung, die orthodoxe Juden in ihrer Tracht in den Schweizer Bergen zeigen. Die schwarz gekleideten Gestalten bleiben darin Fremdkörper. Aber nur deshalb, weil wir alle genaue Vorstellungen haben, welche kulturellen Zeichen zur Bergwelt gehören. Hier erfahren wir anschaulich, wie sehr diese unsere Vorstellungen von den Nazis geprägt sind: 1938 erlassen sie ein Trachtenverbot für Juden. Das heißt, sie legen fest, wer das Recht hat, sich als alpenländisch zu identifizieren. Und sie geben vor, wie diese Identifizierung auszusehen hat. Sie hat Lederhosen an.

Die Alpen waren (und sind) der Kampfplatz, an dem Heimat und Zugehörigkeit verhandelt und entschieden wurde. Und die Ausstellung zeigt, wie die Juden diese Auseinandersetzung mit voller Leidenschaft führten – und wie sie sie verloren haben. Symptomatisch dafür ist die Geschichte der Alpenvereine. Diese weisen Anfang des 20. Jahrhunderts fast ein Drittel jüdischer Mitglieder auf. Ja, ein Jude, der Geologe Eduard Sueß, war sogar Mitbegründer des österreichischen Alpenvereins – unvorstellbar aus heutiger Perspektive, wo diese Institution als Inbegriff der Heimattümelei gilt. Dieses Image ist kein Zufall. Bereits 1921 hat der Alpenverein einen Arierparagrafen eingeführt, der alle jüdischen Mitglieder ausschloss. Eine bis dato unaufgearbeitete Geschichte. Umso erfreulicher ist die Mitarbeit des österreichischen Alpenvereins an der Ausstellung.

„Arisierung der Alpen“

Mit dieser Erzählung ist die Schau aber nicht nur eine Herausforderung für das jüdische, sondern mindestens ebenso sehr auch für das österreichische Selbstverständnis. Sie zeigt eine „Arisierung der Alpen“ , die sich als kulturelle Zuschreibung bis heute fortsetzt. Und sie versucht, das ist wohl ihr spannendstes Moment, dem gegenzusteuern. Durch die Erinnerung an einst namhafte jüdische Alpinisten, mehr noch durch die Rekonstruktion der Anfänge des Skifahrens und des Skitourismus.

Die Kuratoren haben die verschüttete Geschichte von Rudolf Gompez ausgegraben, einem Juden, der den Skilauf als modernen Sport ebenso wie den Skitourismus mitbegründet hat. Man muss sich das ganze Ausmaß dieses Unternehmens vor Augen halten: Hier wird ins Kernstück der österreichischen Identität eine jüdische Geschichte eingeschrieben! Das heilige Skifahren, der umfassende Skitourismus, das identitätsstiftende Moment des Alpenländischen schlechthin, wurde von Juden mitbegründet, miterfunden. Das ist wirklich zutiefst subversiv.

25. Dezember 2009

Vorstellung von Unglück

Neue Studie zeigt Zusammenhang zwischen Komatrinken und der Vorstellung, im Alter unglücklich zu sein

Ein nordirisches Team hat den Alkoholkonsum in Nordirland untersucht und dabei festgestellt, dass junge Männer eher zu gesundheitsschädlichem Verhalten wie zum Beispiel Komasaufen neigen, wenn sie davon überzeugt sind, dass es mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird, glücklich zu sein. In der Vorwegnahme eines „unglücklichen“ Alters versuchen sie, das Beste aus der Gegenwart zu machen, schreiben John Garry und Maria Lohan von der Queen’s University Belfast in Nordirland in der Springer-Fachzeitschrift „Journal of Happiness Studies“ (online).

Obwohl die negativen Auswirkungen übermäßigen Alkohol- und Zigarettenkonsums, schlechter Ernährung und mangelnder Bewegung weithin bekannt sind, trinkt eine große Anzahl Jugendlicher im Übermaß, raucht, isst weder Obst noch Gemüse und verzichtet auf regelmäßige Bewegung. „Könnte es sein, dass gesundheitsschädliches Verhalten vieler Jugendlicher mit ihrer Vorstellung zusammenhängt, dass Glücklichsein mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird?“, fragten sich die ForscherInnen.

Interview-Auswertung

Gary und Lohan werteten über tausend Interviews von Nordiren und Nordirinnen aus, die alle älter als 15 Jahre waren. Die InterviewteilnehmerInnen wurden zu ihrem Alkoholkonsum befragt. Sie wurden gefragt, ob sie Obst und Gemüse essen, rauchen und wie oft sie Sport treiben. Außerdem sollten sie Auskunft darüber geben, wie glücklich sie sich zum Zeitpunkt des Interviews fühlten und einschätzen, wie glücklich sie wohl im Alter von 30 bzw. 70 Jahren wären. Die TeilnehmerInnen, die das 30. bzw. 70. Lebensjahr bereits überschritten hatten, sollten beurteilen, wie glücklich sie sich in diesem Alter fühlen. Die Befragten sollten zudem einschätzen, wie glücklich der Durchschnittsmensch im Alter von 30 bzw. 70 Jahren ist.

Ergebnisse

Obwohl die jungen Leute irrtümlich der Meinung waren, Glücklichsein werde mit zunehmendem Alter immer schwieriger, gab es jedoch in Bezug auf das tatsächliche Glücksempfinden keinen Unterschied in der Selbsteinschätzung zwischen jungen und älteren TeilnehmerInnen. 59 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen wurden als KomatrinkerInnen eingestuft – mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen. Am anfälligsten für Komatrinken zeigten sich junge Männer mit einem pessimistischen Blick auf die Zukunft.

Die StudienautorInnen sind davon überzeugt, dass ihre Erkenntnisse für Gesundheitskampagnen, die junge Menschen über gesundheitsschädliche Verhaltensweisen aufklären sollen, hilfreich sind. Ihr Fazit: „Unsere Erkenntnisse bestätigen, dass der Grund für gesundheitsschädliches Verhalten in der Jugend mit der Vorstellung einhergeht, dass Glücklichsein mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird. Dies trifft insbesondere auf junge Männer zu, die sich einem exzessiven Alkoholkonsum hingeben. Man muss die jungen Leute, und hier insbesondere die jungen Männer, davon überzeugen, dass sich ein geringerer Alkoholkonsum positiv auf ihr Leben auswirkt und Glück im Alter sehr wohl möglich ist.“

Abstract: